Gekauft für den Harem
wählen – außer er wollte den Palast verlassen und ein neues Leben anfangen.
Er war hoch aufgestiegen im Dienst des Kalifen und hatte ein beachtliches Vermögen anhäufen können, dennoch verspürte er eine Leere und Rastlosigkeit, ein Verlangen nach etwas, das er nicht benennen konnte. Ein ironisches Lächeln zuckte um seine Mundwinkel. Vor Jahren hatte er England unter schwierigen Bedingungen verlassen, und erst nach einer langen Zeit der Bedrängnis war er im Palast des Kalifen gelandet. Er hätte ein Narr sein müssen, sein Leben als geachtetes Mitglied von Khalids Hof aufs Spiel zu setzen.
1. KAPITEL
W as geschieht mit uns? Wo bringen sie uns hin?“
Mitfühlend musterte Lady Harriet, die Tochter des verstorbenen Viscount Sefton-Jones, die junge Frau, die sich verzweifelt an ihrem Arm festhielt. Vor ein paar Wochen hatten Korsaren das Schiff, auf dem sie nach Spanien gereist waren, gekapert und sie und ihre Cousine tagelang im Laderaum gefangen gehalten. Als die Galeasse der Seeräuber kurz darauf im Hafen von Algier festgemacht hatte, waren sie in ein Haus irgendwo in der geschäftigen Innenstadt gebracht worden. Den Männern, die in jener entsetzlichen Nacht mit ihnen in Gefangenschaft geraten waren, hatten die Freibeuter Ketten angelegt. Ihr und Marguerite war dieses Schicksal Gott sei Dank erspart geblieben. In der Unterkunft hatte eine ältere Frau sich um sie gekümmert, ihnen ein Bad bereitet und die Kleidung gegeben, die sie seitdem trugen. Die Sachen waren sauber, aber es fühlte sich ungewohnt an, sie anzuhaben … lange Hosen, die die Knöchel eng umschlossen, und darüber ein Gewand und einen dunklen Schleier, der, wenn sie es richtig verstanden hatte, hidschab genannt wurde und sie von Kopf bis Fuß verhüllte.
„Ich bin nicht sicher, Liebes“, erwiderte Harriet mit gesenkter Stimme. Der Mann, der sie bewachte, hatte ihnen verboten zu sprechen. „Miriam zufolge wurden wir an einen gewissen Ali bin Ahmed verkauft. Aber ich weiß nicht, wohin man uns bringt.“
„Ich habe kein Wort von dem verstanden, was der Piratenkapitän sagte“, flüsterte Marguerite unter Tränen. „Wenn wir doch nur auf dem Schiff geblieben wären, Harriet! Vater und Captain Richardson glaubten, dass sie uns retten, als sie uns und die anderen mit dem Ruderboot fortschickten, aber …“ Ein Zittern durchlief sie, und für einen Moment konnte sie nicht weitersprechen. „Glaubst du, sie wurden getötet?“
Harriet antwortete nicht gleich. Das Letzte, was sie von ihrem Onkel, Sir Harold Henley und dem tapferen jungen Kapitän gesehen hatte, war, dass die beiden in einen erbitterten Kampf mit den Korsaren verwickelt gewesen waren. Es hatte Flaute geherrscht, und der Mann im Ausguck schien geschlafen zu haben, denn mitten in der Nacht war Marguerites Vater in ihre Kajüte gestürmt, hatte sie geweckt und an Deck gescheucht. Während die Seeräuber das Schiff bereits enterten, waren die beiden Frauen zusammen mit anderen Passagieren und einigen Mannschaftsmitgliedern im Beiboot entkommen. Sie hatten gehofft, der Kampf an Bord würde so lange dauern, dass sie die Küste erreichen könnten, doch die Piraten hatten sie verfolgt und eingeholt.
Marguerite war eine Schönheit und würde auf dem Sklavenmarkt einen hohen Preis erzielen. Als attraktiv auf ihre eigene Art konnte auch die um ein paar Jahre ältere Harriet mit dem dunklen Haar und den großen rauchblauen Augen gelten. Ihr Vater, der vor etwas über einem Jahr gestorben war, hatte sie von Kindesbeinen an ermutigt, Sprachen zu lernen, und sie beherrschte Französisch und Spanisch fließend. Griechisch und Arabisch konnte sie lesen, und da sie auch ein paar Brocken Sephardisch sprach, war sie sogar in der Lage gewesen, sich mit Miriam, jener älteren Frau, die sie in Algier beherbergt hatte, zu verständigen.
In der Hoffnung, Marguerite und sich selber freikaufen zu können, hatte Harriet ihrer Cousine bislang nichts von ihren Befürchtungen erzählt. Doch nachdem Miriam auf keinen ihrer Hinweise auf eine mögliche Lösegeldzahlung eingegangen war und nur ablehnend den Kopf geschüttelt hatte, machte Harriet sich Sorgen. Trotzdem war sie nicht willens aufzugeben. Früher oder später würde sie auf jemanden treffen, der ihr zuhörte und nicht so tat, als verstünde er sie nicht – so wie der Piratenkapitän, der ihr Angebot mit einem Hieb quittiert hatte. Die Prellung an ihrer Wange tat immer noch weh, aber einschüchtern ließ sie sich davon nicht.
Sie nahm
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