Geklont
auch wenn sie gekommen waren, um sie zu sehen, und auch wenn sie sie zu schützen versuchten.
Sie hatte Angst, man würde auf sie treten, so eng war es; und sie hatte noch immer Prellungen und wunde Stellen.
Sie waren herumgefahren, und sie hatten die Kais und die Volga gesehen, wo sie in die Swigert-Bucht mündete, und den Flughafen und Orte, wo Ari viel dafür gegeben hätte, auszusteigen und sich genauer umzusehen, aber Onkel Giraud hatte nein gesagt, es seien zu viele Menschen da, und es sei zu schwer.
Wie in dem Hotel, wo sie die Nacht in einer großen Suite verbracht hatten, ein ganzes Stockwerk für sich allein; und wo die Leute im Foyer und um ihren Wagen gedrängt hatten. Das hatte ihr Angst gemacht. Und es machte ihr auch in der Staatshalle Angst, als sie in den Türen aufgehalten wurden und immer mehr Menschen dazukamen, Ari mittendrin; aber Catlin streckte eine Hand aus, drängte die Schaulustigen zurück, und sie kamen alle durch.
Die Staatshalle war die erste Sehenswürdigkeit, die sie sich überhaupt richtig ansehen konnten, weil ihnen überallhin die vielen Leute und die ganzen Reporter folgten.
Sie sah so aus wie auf den Bändern, war riesig groß und hallte wider, bis einem wirr im Kopf wurde, wenn man sich umsah und all die Leute oben auf den Galerien bemerkte, die zu ihnen herabsehen: Es gab sie wirklich, auch wenn sie wie das Gericht vorher nur ein Ort auf einem Band gewesen war, und sie wußte sofort, wie der Raum am Ende der Treppe aussehen würde, als Onkel Giraud ihr sagte, daß sich dort der Rat der Neun versammelte.
Der Lärm ließ nach. Die Leute redeten alle, aber sie riefen nicht mehr durcheinander, und der Sicherheitsdienst hatte die Reporter zurückgedrängt, damit Ari und ihr Gefolge umhergehen und sich alles ansehen konnten.
Onkel Giraud brachte sie, Florian und Catlin nach oben, wo sie Nasir Harad, dem Vorsitzenden der Neun, die Hand schüttelten: Er war dünn und hatte weißes Haar, und es war viel an ihm, was er nicht preisgeben wollte, das merkte sie, ebenso wie sie merkte, daß er irgendwie sonderbar war, so wie er ihre Hand hielt, nachdem er sie geschüttelt hatte, und sie ansah, als wollte er etwas von ihr.
»Onkel Giraud«, flüsterte sie, als sie durch die Türen die Ratskammer betraten, »der da eben war aber komisch.«
»Pscht«, machte er und zeigte auf den großen halbkreisförmigen Tisch, an dem die Räte saßen, wenn sie tagten.
Es war jedenfalls komisch, Giraud zu fragen, ob jemand freundlich gesonnen war oder nicht. Sie sah sich alles an, was er ihr erklärte, welcher Sitz wem gehörte, und wo Giraud saß, wenn er im Rat war - nämlich auf dem fürs Wissenschaftsamt, das wußte sie: Sie waren am Gebäude des Wissenschaftsamts vorbeigefahren, und Giraud hatte gesagt, er habe ein Büro dort, wie auch in der Staatshalle, aber er hielt sich dort meist nur kurz auf, denn er hatte Sekretäre und Manager, die sich um alles kümmerten.
Er ließ jemandem vom Sicherheitsdienst einen Knopf drücken, der die Rückwand öffnete, und Ari stand mit großen Augen da, während die Ratskammer sich in die große Ratshalle öffnete, zu einem Raum auf der Seite der Sitze wurde, mit dem Podium vor der riesigen Wand, die Onkel Girauds Worten nach aus Stein von den Ufern der Volga bestand, ganz rauher roter Sandstein, ganz so wie ein Flußufer.
Die Sitze sahen vor diesem Hintergrund ganz winzig aus.
»Hier werden die Gesetze gemacht«, erklärte Onkel Giraud, und seine Stimme hallte wie jeder Schritt. »Da sitzen der Ratspräsident und der Vorsitzende, da vorn auf dem Podium.«
Das wußte sie noch. Sie konnte sich an ein Band erinnern, das den Raum voller Leute zeigte, die zwischen den Sitzreihen auf und ab gingen. Ihr Herz schlug schnell.
»Das ist das Zentrum der Union«, fuhr Onkel Giraud fort. »Hier überwinden Menschen ihre Unterschiede. Hier wird alles in Gang gehalten.«
Sie hatte ihn noch nie so reden gehört, nie mit einer solch ruhigen Stimme, die darauf hindeutete, daß es um wichtige Dinge ging. Er klang ein wenig wie Dr. Edwards, wenn er ihr Unterricht gab.
Dann brachte er sie wieder nach draußen, wo es laut war und der Sicherheitsdienst Platz für sie schuf. Dann die Treppe hinunter. Unten waren Kameras zu sehen.
»Wir werden ein kurzes Interview geben«, erklärte ihr Onkel Giraud, »und dann werden wir mit dem Vorsitzenden Harad zu Mittag essen. Gut?«
»Was gibt's denn zu Mittag?« fragte sie. Essen hörte sich gut an. Beim Vorsitzenden Harad war sie
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