Geklont
was sie wollte. Sie war jetzt sicher, das wußte sie, denn Giraud hätte es nicht gewagt, vor all diesen Leuten etwas zu tun, die bis zu ihrer Mama darüber berichten und Dinge herausbekommen konnten.
Sie wußte, daß Pressefreiheit herrschte. Es wurde in ihren Staatsbürgerkunde-Bändern erwähnt.
»Was für Hobbies? Ich studiere Astronomie. Und ich habe ein Aquarium. Onkel Denys hat mir ein paar Guppys gekauft. Sie werden von der Erde importiert. Man soll die schlechten immer entfernen, und man kann welche mit schönen Schwänzen züchten. Die Teichfische würden sie fressen. Aber das mache ich nicht. Ich gebe sie einfach in einen anderen Tank, weil ich es nicht mag, wenn sie gefressen werden. Sie sind ziemlich interessant. Mein Lehrer sagt, es sind Neuzüchtungen der alten Rasse. Mein Onkel Denys wird mir noch ein paar Tanks kaufen, und er sagt, ich kann sie in mein Zimmer stellen.«
»Guppys sind kleine Fische«, erklärte Onkel Giraud.
Die Leute außerhalb von Reseune bekommen viele Dinge nicht zu Gesicht, erkannte Ari.
»Guppys sind einfach«, sagte sie. »Jeder kann sie aufziehen. Sie sind auch ganz hübsch und fressen nicht viel.« Sie rückte auf ihrem Stuhl herum. »Längst nicht soviel wie Pferde.«
V
In dem Restaurant im nördlichen Korridor herrschte eine seltsame Atmosphäre - sie war dem Verhalten des Personals und der Kundschaft zu verdanken und dem Umstand, daß das preisgünstige Restaurant überfüllt war und erst ab dem Nachmittag wieder Reservierungen annahm - und nur die Hellhörigen und Glückspilze hatten gemerkt, als sie sich fürs Abendessen telephonisch Tische reservierten, daß das höchst extravagante Changes das einzige Restaurant war, das vielleicht noch freie Plätze hatte. Fünf Minuten später, hatte Grant in der herablassenden Art eines Erfolgreichen gesagt, und sie hätten zu Hause Käsesandwiches essen müssen.
Statt dessen saßen sie bei Cocktails, Horsd'oeuvres und würzigem Schweinebraten mit importierten Früchten in einem Restaurant, das von Angestellten aus dem Flügel Eins wimmelte, die Credits ausgaben, ein bißchen zuviel tranken und sich hinter vorgehaltener Hand in Spekulationen ergingen, die nicht ganz optimistisch, nicht ganz zuversichtlich waren, aber dem Gefühl entsprachen, bei einem großen Ereignis dabeigewesen zu sein, ein Gefühl, nachdem sie den ganzen Tag an jeder Silbe gehangen hatten, die einem kleinen Mädchen über die Lippen gekommen war, das sich der enormen Gefahr wahrscheinlich gar nicht bewußt war - daß etwas dabei herausgekommen war, daß das Projekt, das ihr Leben seit Jahren in Beschlag nahm, unerwartet Flügel bekommen und - Gott weiß was - bewiesen hatte: etwas Alchemistisches; oder etwas Schlichtes, ungemein Menschliches.
Seltsam, dachte Justin, daß er sich so verantwortlich, so besorgt - und derart persönlich betroffen gefühlt hatte, als der Gegenstand des Projekts auf einem Stuhl Platz nahm, wie jedes andere kleine Mädchen die Beine baumeln ließ und zwischen fröhlichem Geplapper und gedankenvoller Konzentration hin und her wechselte ...
Unbeschadet und noch immer in Entwicklung begriffen.
Die restliche Kundschaft im Changes überraschte es vielleicht, die Warrick-Partei auswärts essen zu sehen, sie waren ein Schatten aus der Vergangenheit; gelegentlich sah man zu ihnen hinüber, und Justin hatte keine Zweifel, daß an Suli Schwartzes Tisch über sie gesprochen wurde.
»Vielleicht glauben sie, wir haben etwas klarzustellen«, sagte er zu Grant über der Suppe.
»Vielleicht«, murmelte Grant. »Macht's dir was aus? Mir nicht...«
Justin lachte humorlos. »Ich habe die ganze Zeit überlegt ...«
»Was?«
»Ich habe während der ganzen Vernehmung überlegt, mein Gott, was passieren würde, wenn sie mit ›Mein Freund Justin Warrick‹ oder sowas herausplatzt.«
»Mhmmm, dafür ist das Kind zu raffiniert. Sie wußte, was sie tat. Bei jedem Wort.«
»Meinst du?«
»Meine ich wirklich.«
»Man sagt, ihre Testergebnisse reichten an die von Ari nicht heran.«
»Was glaubst du?«
Justin betrachtete die Vase auf dem Tisch, den einzelnen roten Geranienstrauß, der einen angenehmen, wenn auch starken Grünpflanzenduft verbreitete. Durchdringend, klar, exotisch für eine graublaue Welt. »Ich glaube, sie ist eine Kämpferin. Wenn nicht, hätten sie sie längst in den Wahnsinn getrieben. Ich weiß nicht, was sie wirklich ist, aber manchmal glaube ich ... Gott, warum, zum Teufel, erklären sie das Projekt nicht als
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