Geklont
KAPITEL
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I
Onkel Denys hatte recht. Es war riesig. Es war sehr still hier, und zugleich mit seltsamen Geräuschen erfüllt anspringende Motoren, sich dehnendes Metall in den Leitungen oder andere kleine Laute, die ein Schritt oder ein Atemzug hätten sein können, obwohl der Automatische Haushälter sicher Alarm geschlagen hätte, wenn etwas Lebendiges zugegen gewesen wäre.
Wenn nicht jemand an ihm herumgepfuscht hatte. Wenn die Basis Eins selbst zuverlässig war.
Ari wußte, welches Schlafzimmer der ersten Ari gehört hatte. Die Schränke waren mit ihren Kleidern vollgestopft. In den Schubladen lagen noch mehr Kleider, Pullover, Unterwäsche, Juwelen - echten Juwelen sogar, dachte sie. Und der Geruch der Schubladen und des Schranks war derselbe wie zu Hause - der Geruch, den sie verströmte. Derselbe Geruch, der ihren Schrank zu Hause erfüllte - in Onkel Denys' Apartment.
Es gab ein Zimmer, das dem ersten Florian gehört hatte, und ein weiteres für die erste Catlin. In ihren Schränken hingen Uniformen für einen Mann und eine Frau. Die ihre Nummern trugen. Außerdem Partykleidung in Satin und schwarzem durchscheinenden Stoff.
In den Büroschubladen lagen interessante Sachen - Pistolen, ein paar elektronische Bauteile und Draht ebenso wie persönliche Dinge.
»Sie waren Ältere«, sagte Catlin.
»Ja«, erwiderte Ari und spürte ein Frösteln in ihren Gliedern. »Das waren sie.«
Die ganze Zeit hörten sie die Geräusche, das leise Flüstern, das die Zimmer von sich gaben.
»Kommt!« sagte sie und brachte die beiden aus dem Zimmer der ersten Ari.
Sie schärfte sich selbst unermüdlich ein, daß der Automatische Haushälter auf einen Eindringling reagieren würde.
Aber was wäre, wenn schon jemand dagewesen war?
Was wäre, wenn jemand anderer den Haushälter kontrollierte?
Sie brachte die beiden in Aris Schlafzimmer zurück, hinten am anderen Ende des Gebäudes. Sie nahmen die Waffen mit, die sie gefunden hatten, auch wenn Catlin sagte, sie sollten sich nicht auf derart alte Munition verlassen. Aber sie waren besser als nichts.
»Bleibt bei mir«, bat Ari sie, setzte sich aufs Bett und klopfte auf die Plätze neben sich.
So krochen sie angezogen unter die Decke, weil die Nacht kalt zu werden versprach, und sie mitten in einem riesigen Bett saß, Aris Bett, und Florian und Catlin saßen rechts und links von ihr und drückten sich an sie, um sich an ihr zu wärmen oder sie zu wärmen.
Sie zitterte, und Florian legte den Arm um ihre rechte Seite, und Catlin rückte näher an ihre linke, bis ihr warm wurde.
Sie konnte ihnen nicht sagen, was sie wissen mußten, wer zum Beispiel der Feind war. Sie wußte es nicht mehr. Sie stellte sich Geister vor. Wie in den alten Büchern, die sie gelesen hatte. Sie hatte Angst vor etwas, das sich Florian und Catlin, wie sie vermutete, nicht einmal vorstellen konnten und es war idiotisch, es beim Namen zu nennen.
Niemand hatte in diesem Bett, auf diesen Laken geschlafen, seit die erste Ari gestorben war. Niemand hatte ihre Sachen benutzt oder die Laken zurückgeschlagen.
Das ganze Schlafzimmer roch nach Parfüm und muffigem Alter.
Sie wußte, daß es Blödsinn war, sich zu fürchten. Sie wußte, daß die Geräusche vermutlich etwas mit dem Heizen oder Kühlen der Metallrohre und der ungewohnten hölzernen Fußböden zu tun hatten. Und den zahllosen Systemen, die hier installiert waren.
Sie hatte Poe gelesen. Und Jerome. Und wußte, daß es hier auf keinen Fall spukte. Solche Dinge gehörten zur alten Erde, wo man geglaubt hatte, daß die Nächte voller Geister seien, die noch etwas zu erledigen hatten und begierig seien, Hand an die Lebenden zu legen.
An einem solch modernen Ort, so weit weg von der alten Erde, wo es so viele Tote gab, war kein Platz für sie: Cyteen war neu, und sie gehörten ins Reich der Geschichten und Legenden.
Sah man ab von dem Dunkel rings um die beleuchteten Zimmer, den unerklärten Geräuschen und dem An- und Ausgehen von Geräten, mit denen sicher der Automatische Haushälter seine Arbeit verrichtete.
Sie wollte Florian und Catlin fragen, ob sie etwas dergleichen empfanden, in der Art, wie Azis die Dinge betrachteten: Ein Teil von ihr fragte sich aus einer kühlen Neugier heraus, ob es an etwas in ihren Denksets lag, daß ZIVs Angst vor Geistern haben konnten - an den Wertenuancen, wie ihr Psychoinstrukteur es genannt hatte. Dem Flux-Denken.
Wozu Florian und Catlin auch imstande waren, aber es gehörte zu den Dingen, die sie
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