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Geklont

Geklont

Titel: Geklont Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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sich wiederum auf die andere Situation auswirkte und es mit allen künftigen Liebhabern verdarb. Ich glaube, daß dieser Kreislauf von sexueller Energie und Zorn in mir in einem solchen Ausmaß verflochten ist, daß ich ihn nur durch Abstinenz unter Kontrolle bringen kann, und du weißt sicher, daß Abstinenz für mich kein einfacher Weg ist.
    Ich zögere sogar, dich zu warnen, weil diese Frustration eine beträchtliche, wenn nicht sogar eine unverzichtbare Auswirkung auf meine Arbeit hatte. Als ich über siebzig war, hatte ich einen Punkt erreicht, da ich alle Köpfe in meiner Umgebung in den Schatten stellte. Jane Strassen, Yanni Schwartz, Denys und Giraud Nye und natürlich Florian und Catlin gehörten zu den Freunden, die weiterhin eine Herausforderung für mich waren. Aber ich ließ sogar sie hinter mir zurück. Ich wurde immer introvertierter und fühlte mich auf der persönlichen Ebene immer einsamer. Aber ich muß dir gestehen, daß ich, was meine berufliche Arbeit anging, restlos zufrieden war, und ich fand mich imstande, meine sexuelle Energie in einer bloß physischen Entspannung zu kanalisieren, sehr häufig sogar, was mich, nimmt man die Befriedigung durch meine Arbeit und die Gesellschaft einiger verläßlicher Freunde hinzu, beschäftigt hielt. In mancherlei Hinsicht war ich sehr allein, aber im Ganzen war ich glücklich. Es war eine sehr produktive Phase für mich.
    Aber jetzt, da ich mehr als ein Jahrhundert hinter mir habe, weiß ich, daß ich zwei Projekte in Angriff genommen habe, von denen ich keins beenden werde, daß ich Dinge tue, die für die Menschheit Erlösung wie Verdammnis bedeuten könnten, und ich werde das Resultat nie erfahren.
    Dieser Zorn treibt mich jetzt mehr denn je an, der Unwillen über die nahe Grenze, über die Zeit und die Beschränktheit der Menschen, die mich umgeben; ich habe keine Gelegenheit, um innezuhalten, Atem zu holen oder auszuruhen. Ich kann nicht mehr ungehindert reisen, nicht mehr fliegen, meinen Wunsch, einmal den Weltraum zu sehen, werde ich nie erfüllen können, weil die Sicherheitsvorkehrungen so kompliziert sind und es so wichtig ist, diese Arbeit zu beenden. Sex hat diesen Spannungen früher immer abgeholfen; heute verzahnt er sich mit ihnen, weil er mit jenem Zorn zusammenhängt, der nichts unberührt läßt, was ich tue.
    Das Schlimmste ist - ich habe Florian verletzt. Das habe ich in meinem ganzen Leben noch nie getan. Schlimmer noch - ich hatte Spaß daran. Kann ein Kind begreifen, wie sehr das schmerzt? Und das Allerschlimmste - Florian versteht mich; und verzeiht mir. Was immer du auch tust, junge Ari, gebrauche deinen Zorn, laß dich nicht von ihm gebrauchen.
    Denn der Zorn wird kommen, und der Schmerz auch, denn du bist nicht wie alle anderen, ebensowenig wie ich.
    Du bist nicht mein Lebenswerk. Ich hoffe, das verletzt deinen Stolz nicht, und du verstehst, warum ich meine Psychogenese-Studien wieder aufgenommen habe und soviel Zeit meines Lebens der Aufgabe widmete, dich zu schaffen. Mein Lebenswerk ist keine Psychogenese, sondern eine Soziogenese, und niemand außer dir hat dieses Wort je in einem sinnvollen Zusammenhang gehört.
    Ich habe die ganze Entwicklungsrichtung der Menschheit mit den Dingen verändert, die ich getan habe. Deine eigene einzigartige Perspektive als ein psychogenetisches Replikat kann dir Aufschluß über den Schaden geben, der der Union zugefügt werden könnte, wenn sich die Leute wirklich dessen bewußt werden, was von mir ausgegangen ist. Nach allem, was ich sagen kann, mußte es getan werden.
    Aber ich habe immer häufiger allein gearbeitet, ohne Überprüfungen und ohne Rücksprache mit jemand anderem, weil es einfach niemanden gab, der verstehen konnte, was ich verstand.
    Ich kann es dir auf geraffte Weise erklären, junge Ari, so wie ich's der Presse und dem Rat wiederholt erklärt habe: Aber nur wenige scheinen den Kern dessen zu verstehen, was ich sage, weil es kurzfristigen Zielsetzungen und Vorstellungen über den Wohlstand zuwiderläuft. Es ist mir nicht gelungen, die Gleichungen, mit denen wir zu tun haben, einfach genug darzustellen; und ich fürchte Demagogen. Am allermeisten fürchte ich Denker mit beschränktem Horizont.
    Die menschliche Diaspora, die Zerstreuung der Menschheit ist das Problem, aber Zentrismus ist nicht die Antwort. Die Wachstumsrate, die die technologische Kapazität aufrechterhält, die eine Zivilisation ermöglicht, übertrifft inzwischen die Rate der kulturellen Anpassung, und die

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