Geklont

Titel: Geklont Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh

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Entfernungen überfordern unsere Kommunikationstechnik. Das Ende wird immer mehr dem Anfang ähneln, über eine endlose Ebene verstreute Menschenstämme, die sich in ziellosen Konflikten aufreiben - oder in isolierter Stagnation verharren - es sei denn, wir können die gewonnenen Erfahrungen kondensieren, versiegeln und gezielt in ZIV-Tiefensets replizieren - und die Psychogenese kann in großem Maßstab funktionieren, zur Soziogenese werden und dadurch über sich selbst hinauswachsen, so wie du, hoffe ich, über mich hinauswachsen wirst. Die menschliche Technologie als eine adaptive Reaktion unserer Spezies hat die bloße Manipulation des Milieus hinter sich gelassen; ebenso die Manipulation unseres materiellen Selbst und die Manipulation von Geist und Seele; nun, da sie uns aus der Wiege geholfen hat, muß sie unsere Reaktion auf das Universum als Ganzes modifizieren. Der menschlichen Erfahrung entspringt ein Datenstrom, der großer ist, als ihn Individuen verstehen oder handhaben können; und der Strom schwillt weiter an. Wir müssen mit einer Verdichtung beginnen: Wir müssen Erfahrungen auf dieselbe Weise verdichten, wie die menschliche Geschichte sich zu immer kürzeren Instruktionen verdichtet - und Ereignissen, die im raschen historischen Wandel nur einer flüchtigen Erwähnung wert sind.
    Letztendlich sind nur die Erkenntnisse von Bedeutung, nicht die Ereignisse, die sie hervorgebracht haben. Aber man muß genau wissen, wie die Begleitumstände waren.
    Man muß die richtigen Dinge weitergeben. Die Erfahrung ist bestenfalls ein brutaler und nachlässiger Lehrer.
    Und die Zeit, in der die ganze Menschheit noch in unserer Reichweite, uns zugänglich ist - ist so kurz.
    Du wirst mehr sehen können als ich, junge Ari. Du hast vielleicht als einziger Mensch deiner Generation Verstand genug, das Problem angehen zu können: Ich hoffe, daß die Ereignisse dir meine volle Macht übertragen haben; aber das steht außer Frage, denn wenn ich dich mit den Fähigkeiten ausgestattet habe, sie festzuhalten, dann auch mit jenen, um sie zu erlangen. Herrsche vor allem über dein eigenes Ich. Wenn du lang genug lebst, um die Macht zu erlangen, die ich hatte, wirst du auf einem schmalen Grat zwischen Größenwahn und Göttlichkeit wandern. Oder du läßt es zu, daß dein Zorn die Menschheit trifft; oder du wirst aus Feigheit abdanken.
    Wenn ich mit dir gescheitert bin, dann bin ich mit allem gescheitert, und ich habe vielleicht nichts Schlimmeres geschaffen als das, was gegenwärtig existiert; oder ich habe mindestens die Hälfte der Menschheit Kriegen oder düsterer Tyrannei anheimfallen lassen.
    Wenn ich erfolgreich war, gibt es immer noch Arbeit zu tun, um über alles die Kontrolle zu bewahren. Die Situation verändert sich.
    Wenn mir überhaupt nichts gelungen ist, habe ich einen Krieg vorausgesehen, den die Menschheit vielleicht nicht überlebt: Ein zu großer Anteil der Menschheit lebt auf nur zwei Planeten und hängt von zuwenig Produktionszentren ab. Wir sind im Weltraum noch zu unerfahren; unsere Versorgungssysteme sind noch immer zu empfindlich, und unsere Wertvorstellungen enthalten immer noch Elemente aus der Steinzeit.
    Diese Überzeugung ist die einzige moralische Gewißheit, die ich je haben werde.
    Studiere die Konsortiums-Kriege. Studiere die Geschichte der Erde. Lerne, wozu wir fähig sind.
    Studiere Gehenna. Dieses Programm hat in Erfahrung gebracht, daß wieder Kontakt aufgenommen worden ist. Es haben dort Menschen überlebt. Ihre Generationen folgen rascher als unsere aufeinander. Gehenna ist die Alarmanlage.
    Deine Sicherheits-Freigabe ist jetzt mit dem Rang eines Abteilungsleiters des Administrativen Territoriums Reseune im Wissenschaftsamt aktiv.
    Weitere Erläuterungen sind beim Sicherheitsdienst Reseunes abgespeichert: zugänglich über das Sicherheitsprogramm 10, Schlüsselwort: Freigabe.

    VI

    »Nein, Ser«, antwortete Ari und faltete die Hände auf dem Tisch. Die Mikrophone fingen ihre Stimme auf und verstärkten sie, verzerrten sie zur voluminösen Karikatur der Stimme eines jungen Mädchens. Sie saß allein an einem Tisch den Neun gegenüber. Onkel Giraud vertrat das Wissenschaftsamt; da waren auch Nasir Harad und Nguyen Tien; und Ludmilla deFranco, Jenner Harogo, Mikhail Corain, Mahmut Chavez und Vladislaw Khalid - und die auf Ari gerichteten Blicke drückten durchweg Feindseligkeit aus. Corain hatte die Frage gestellt.
    »Nein, Ser, ich werde Ihnen kein Transkript zur Verfügung stellen.