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Geködert

Geködert

Titel: Geködert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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einem dicken Punkt in der Mitte. Kein Ausweg. Keine Lösung. Kein Nichts. Die Antwort auf seine Frage, nehme ich an, und ich hatte ihm diese Antwort gegeben. Zehn Punkte aus zehn, Samson, so kommt man vorwärts in diesem Spiel.
Ehe nicht der Deputy seinen Tee getrunken hatte, konnten selbst die Beschäftigten von uns nicht daran denken, sich aus der Runde zu verabschieden. Der Deputy wollte eben den Raum verlassen, als Morgan – der eifrigste Kriecher vor dem D.G. – mit hochrotem Kopf, noch im Mantel, einen kurzen zusammenschiebbaren Regenschirm wie eine Prozessionskerze in der Hand, zur Tür hereinkam. Er sagte in seinem singenden walisischen Akzent: »Entschuldigen Sie bitte die Verspätung, Sir. Ich hatte ganz schrecklichen und unerwarteten Ärger mit meinem Wagen.« Er biss sich auf die Lippe. Anstrengung und Sorge machten ihn noch blasser als sonst.
Der Deputy war verärgert, ließ sich davon aber nur einen Schimmer anmerken. »Wir sind auch ohne Sie zurechtgekommen, Morgan«, sagte er.
Als der Deputy das Zimmer verließ, warf Morgan mir einen hasserfüllten Blick zu, den zu verbergen er sich nicht im mindesten bemühte. Vielleicht gab er mir die Schuld an seiner Demütigung, vielleicht nahm er mir auch nur übel, dass ich sie mit angesehen hatte. Wenn jedenfalls das Department mal jemanden brauchen sollte, mich zu begraben, auf Morgan konnte es immer rechnen. Möglicherweise war er sogar schon dabei, mir mein Grab zu schaufeln.
    Ich ging nach unten, erleichtert, die Sitzung hinter mir zu haben, auch wenn ich danach nur in meinem engen, kleinen Büro landete, wo sich unbearbeitete Akten wartend stapelten. Ich starrte auf den übervollen Tisch neben dem Fenster, vor allem aber auf zwei in wunderschönes Weihnachtspapier gewickelte Schachteln. Auf der einen stand »Billy«, auf der anderen »Sally«. Die Schachteln waren von Harrods geliefert worden mit Karten, auf denen zu lesen war: »Mit viel Liebe von Mama«, allerdings nicht in Fionas Handschrift. Ich hätte die Pakete den Kindern natürlich schon vor Weihnachten geben sollen, statt dessen hatte ich sie aber hier liegen lassen und versuchte, sie nicht anzusehen. Auch in den Vorjahren hatte sie immer Weihnachtsgeschenke geschickt, und ich hatte sie unter den Baum gelegt. Die Kinder hatten die Grußkarten kommentarlos zur Kenntnis genommen. Aber diesmal hatten wir Weihnachten in unserem neuen Haus gefeiert, und irgendwie wollte ich Fiona da raushalten. Durch den Umzug war ich wenigstens Fionas Kleider und ihre persönlichen Sachen losgeworden. Ich wollte einen neuen Anfang machen, aber deswegen wurde die Begegnung mit diesen glänzenden Schachteln, jedesmal, wenn ich ins Büro kam, auch nicht einfacher.
    Mein Schreibtisch war ein Chaos. Meine Sekretärin Brenda hatte für zwei Frauen in der Registratur einspringen müssen, die krank oder schwanger oder was weiß ich waren, so versuchte ich nun auf eigene Faust das Durcheinander zu ordnen, das sich in der Woche meiner Abwesenheit auf dem Tisch angehäuft hatte.
    Das erste, was mir auffiel, waren die rot als »dringend« bezeichneten Mitteilungen über Prettyman. Du lieber Himmel, am letzten Donnerstag mussten alle halbe Stunde neue Mitteilungen, Anfragen, Aufträge und wohlmeinende Ratschläge auf meinem Schreibtisch gelandet sein. Ein Segen nur, dass Brenda vernünftig genug war, mir nicht dieses ganze Zeug nach Washington nachzuschicken. Jetzt war ich wieder hier, und meinetwegen konnten sie jemand anderen schicken, Jim Prettyman den Arm umzudrehen und diesem Ausschuss trüber Tassen von der Hauptkasse vorzuführen, die verzweifelt Ausschau hielten nach irgendeinem Unglücksraben, dem sie die Schuld an ihrer eigenen Unfähigkeit geben konnten.
    Ich war schon dabei, das ganze Zeug in den streng vertraulichen Müll zu werfen, als mir die Unterschrift unter all diesen Botschaften auffiel. Billingsly. Äußerst seltsam, dass Billingsly die Sache heute morgen im Konferenzzimmer Nummer zwei mit keinem Wort erwähnt hatte. Er hatte nicht mal gefragt, was dabei rausgekommen sei. Sein Interesse, um nicht zu sagen seine Obsession, Prettyman nach London zu holen, hatte offenbar ganz plötzlich eine traumatische Wandlung durchgemacht. Aber das war typisch für Leute wie Billingsly – und andere im Department –, die mit beunruhigender Abruptheit zwischen Panik und Gedächtnisschwund schwankten. Ich warf die Papiere also weg und vergaß das Ganze. Es war sinnlos, Jim Prettyman in Schwierigkeiten zu bringen. Meines

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