Geködert
Fernsehreportern in Sicherheit gebracht haben, um in aller Ruhe ein paar Multimillionen-Dollar-Abschlüsse zu tätigen.
»Gefällt’s dir?« fragte Frank stolz.
»Fabelhaft, Frank.«
»Hübsches kleines Lokal, nicht? Und man riskiert hier nicht, unseren Leuten zu begegnen, das vor allem gefällt mir daran.« Mit »unseren Leuten« meinte er die wichtigen Leute in Whitehall. Er hatte recht.
Ein alter Herr, der, wie sich’s für einen Weinkeller gehört, ein weißes Hemd mit Fliege und eine lange Schürze trug, führte uns zu zwei schon gedeckten Plätzen an der Theke. Frank war hier augenscheinlich ein geschätzter Gast, und als ich sah, was er für eine Flasche Château Palmer 1966 berappte, verstand ich auch, warum. Aber Franks ausgedehntes Studium der Weinkarte und das außergewöhnliche Resultat gehörte zu der väterlichen Rolle, die er vorführen musste.
Mit dem vorschriftsmäßigen Zeremoniell wurde die Flasche entkorkt, der Korken berochen, der Wein ins Glas gegossen, das Glas gedreht, der Wein gekostet. Frank stülpte die Lippen auf, bleckte die Zähne und fällte nach einigem Sinnen sein Urteil: »Trinkbar.« Wir lachten.
Da ich Frank seit Jahren kannte, überraschte mich nicht, dass er zu diesem edlen Tropfen klaglos einen schon gelblichen Stilton, ein ausgetrocknetes Stück Fleischpastete und labbriges Weißbrot aß.
Ich ahnte, dass er mir etwas zu sagen hatte, aber ich leistete meinen Beitrag zum neuesten Büroklatsch und ließ ihm Zeit. Als er seine Fleischpastete verzehrt hatte – jeden Bissen dick mit scharfem englischem Senf bestrichen –, füllte er zum zweiten Mal unsere Gläser und sagte: »Diese verdammte Zena.« Er sagte das ganz ruhig, aber er meinte es ernst. »Ich könnte sie umbringen.«
Ich betrachtete ihn neugierig. In der Vergangenheit war er Zena gegenüber immer nachsichtig gewesen. Vernarrt in sie, so musste man sagen. »Wie geht’s ihr überhaupt?« fragte ich beiläufig zwischen zwei Bissen Fleischpastete. »Als ich zuletzt von ihr hörte, war sie gerade nach Frankfurt an der Oder gefahren. Werner machte sich Sorgen deshalb.«
Er sah mich an, als versuchte er zu ergründen, wieviel ich wusste, und sagte dann: »Sie fuhr auf dem Berlin-WarschauExpreß hin und her.«
»Auf dem Paradies-Zug? Wozu?« fragte ich, obwohl ich mir die Antwort denken konnte.
»Schwarzmarktgeschäfte. Du bist doch selbst schon mit diesem Zug gefahren. Du weißt doch Bescheid.«
Ja, ich war selbst schon mit diesem Zug gefahren, und ich wusste Bescheid. Nach der Überquerung der polnischen Grenze verwandelte sich dieser Zug in einen orientalischen Basar. Schwarzhändler – und, gemäß den feinen Abstufungen innerhalb des sozialen Lebens im Ostblock, auch Händler des braunen und grauen Marktes – wanderten von Abteil zu Abteil und kauften und verkauften einfach alles, von schottischem Whisky bis zu Black & Decker-Bohrmaschinen. Überall laute polnische Stimmen, Hände, die mit Bündeln von Dollarnoten wedelten, geöffnete Koffer, die von Popmusik-Schallplatten und Marlboro-Stangen überquollen. Im »Paradies-Zug« gab es tausend Gelegenheiten, Geschäfte mit Kunstwerken und alten Handschriften zu machen. »Was hat Zena in dem Zug getrieben?« fragte ich.
»Sie wurde verhaftet, als sie zurückkam … auf dem Bahnhof Friedrichstraße. Es hat ganz den Anschein, als sei sie verpfiffen worden.«
»Wo ist sie jetzt?«
»Man hat sie entlassen.«
»Was hatte sie denn dabei?«
»Alte Stiche. Und eine Ikone und eine alte Bibel. Sie haben alles beschlagnahmt und sie laufenlassen.«
»Da hat sie aber Schwein gehabt«, sagte ich.
»Sie hat ihnen gesagt, sie würde sich gerne mit einer Quittung für nur einen der beschlagnahmten Gegenstände begnügen, und den Rest könnten sie sich teilen.«
»Dann hat sie erst recht Schwein gehabt. Wenn sie dieses Angebot dem falschen Mann macht, kriegt sie wegen versuchter Bestechung noch zehn Jahre Knast zusätzlich.«
Frank sah mich an und sagte: »Zenas Menschenkenntnis ist ausgezeichnet.«
Was sollte ich darauf erwidern? Ich trank einen Schluck von dem wunderbaren Château Palmer und nickte. Der Wein war jetzt zu vollem Leben erwacht, eine zauberhafte Mischung fast vergessener Düfte.
Franks Zorn, der ihn bei der Erinnerung an Zena gepackt hatte, legte sich langsam. »Blödes kleines Biest«, sagte er schon wieder mit einem zärtlichen Unterton. Er lächelte. »Wie wär’s mit einem Nachtisch, Bernard? Ich glaube, der Apfelstreuselkuchen ist hier sehr gut.«
»Nein, danke,
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