Geködert
kommst, ehe du gestern hier gelandet bist. Bret jedenfalls hat irgend jemand davon überzeugt, dass die Sache Dringlichkeitsstufe eins habe.
Überprüft diesen Woosnam, und zwar schnell. Also haben sie einen Haufen Leute aus dem Bett geholt, und die durften sich dann die Nacht um die Ohren schlagen. Die waren ganz schön sauer, kann ich dir sagen. Noch dazu am Wochenende.«
- 235 -
»Und Woosnam war nicht von der Londoner Zentrale?«
»Jesus Christus. Selbst jetzt glaubst du mir noch nicht. Ich sehe es dir am Gesicht an.«
»Na und. Wen kümmert das schon«, sagte ich.
»Mich kümmert es. Bret kümmert es. Jeden, der dich mag.
Wir machen uns Sorgen um deinen Zustand, Bernard Baby.«
Ich gab Harry mit einer Gebärde zu verstehen, dass das leidige Thema Woosnam für mich erledigt sei. Der Feine Harry nickte verständig und lehnte sich nach vorn, um auf einen Knopf zu drücken, der zwischen den Vordersitzen des Wagens und dem Fond eine Trennscheibe in Stellung brachte. Jetzt konnten uns Harrys Untergebene nicht mehr hören. Aber da wir in einer CIA-Limousine saßen, war anzunehmen, dass irgendwo in der Polsterung ein verstecktes Tonband lief, so dass auch Brigette und Gott weiß wer noch alles erfahren würden, was ich sagte. Oder litt ich schon wieder an Verfolgungswahn?
»Also, reden wir Tacheles, Bernie. Lassen wir jetzt den Quatsch, ja?«
»Welchen Quatsch soll ich lassen, Harry?«
Er ignorierte meine Frage. Er schaute aus dem Fenster, vermutlich um zu sehen, wie weit es noch bis zum Flughafen war, und kam endlich zur Sache. »Hör mal«, sagte er. »Große Herren in Washington hören, dass du versuchst, Bret irgendeinen Scheiß anzuhängen, den irgend jemand vor Jahren bei euch in London gebaut hat … Also gut, die fraglichen Herren reagieren gereizt. Sie reden mit deinen Leuten in der Londoner Zentrale. Sie sagen: Scheißt endlich oder geht vom Topf runter. Welche Anschuldigungen? fragen sie. Wo sind die Beweise? Sie wollen wissen, woran sie sind, Bernard. Denn es passt ihnen nicht, dass der arme Bret sich deine verdammten Verdächtigungen gefallen lassen muss, ohne eine Chance zu kriegen, sich dagegen zu verteidigen.« Für einen Augenblick meinte ich, den wahren Charakter gesehen zu haben, den der
- 236 -
Feine Harry hinter seiner lächelnden Charlie-Chan-Maske verbarg, einen Typ, dem man lieber nicht im Dunkeln begegnen würde.
»Wenn Bret das wirklich glaubt …«, begann ich.
»Halt die Luft an, Bernie.« Das liebenswürdige Lächeln war wieder an seinem Platz. »Ich sage, dass man in Washington die Sache so aufgefasst hat. Das kann natürlich ein bedauerliches Missverständnis sein, aber so sah die Sache für die Herren in Washington aus, als sie deswegen bei der Londoner Zentrale anfragten.«
»Und was hat London gesagt?« fragte ich ehrlich interessiert.
»London hat genau gesagt, was man in Washington zu hören erwartete. Sie haben gesagt, das sei eine vollkommen private Veranstaltung von Bernie Samson, ohne irgendeine offizielle Ermächtigung. London sagte, man würde noch mal mit Bernard Samson reden und ihn ein bisschen beruhigen.«
»Und wie hat Washington das aufgenommen?«
»Washington war einverstanden. Die Herren haben weiter gesagt, falls ein bisschen Hilfe nötig wäre, diesen Briten auf Alleingang zu bändigen, wäre es ihnen ein Vergnügen, dafür zu sorgen, dass jemand ihm den Arm bricht, vielleicht an mehreren Stellen, nur um ihm klarzumachen, dass seine überschüssige Energie bei Wein, Weib und Gesang besser angebracht wäre.«
»Sozusagen«, sagte ich.
»Natürlich, sozusagen, Bernie.« Kein Lächeln jetzt, nur eine ausdruckslose Miene und ein kalter Blick, bis Harry sich abwandte, um die Neonreklamen der Fischrestaurants zu betrachten und die Parkplätze, auf denen sich die Wagen jener Leute drängten, die ihr Mittagessen gern bis zum Sonnenuntergang ausdehnen. Er berührte die beschlagene Scheibe und schien überrascht, als dort Wasser an ihr herabzutröpfeln begann. »Denn die großen Herren in
- 237 -
Washington glauben nicht, was deine Leute ihnen erzählen«, sagte Harry zum Fenster hinaus. »Sie halten es nicht für wahrscheinlich, dass die in London wirklich so einen Spinner unter ihren Angestellten haben, der freiwillig nach Feierabend seine Nase in den Dreck steckt.«
»Nein?«
»Nein. Washington glaubt, dass der Mann auf Anweisung handelt. Sie fragen sich, ob vielleicht diese Arschgeigen in der Londoner Zentrale endlich doch damit anfangen wollen,
Weitere Kostenlose Bücher