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Gelegenheitsverkehr

Gelegenheitsverkehr

Titel: Gelegenheitsverkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Sander
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Verriegelungsstangen sicherten die beiden Türflügel auf der Stirnseite. Vorhängeschlösser mit dicken Bolzen waren eingehängt. Zerquetschte Grasbüschel bildeten verschiedene Muster auf dem Boden, als hätte eine unentschlossene Hausfrau die Möbelpacker angewiesen, die Möbel mal hierhin, mal dorthin zu stellen.
    Als ich mein Sperrwerkzeug aus der Jackentasche nahm, hörte ich Motorgeräusche. Über der Mauer sah ich das Dach eines Transporters näherkommen. Dann rasselte die Kette, mit der das Tor verschlossen war. Ich rannte gebückt zur Laderampe und kroch hinter halb verrottete Holzpaletten und Kartonstücke. Spinnen seilten sich blitzartig ab und schaukelten auf langen Beinen erbost davon. Raschelnd entfernte sich ein größeres Tier. Im Moment war ich sehr dankbar über all den Müll. Ich lag auf dem Bauch und spähte an zerbrochenen Flaschen und Lehmklumpen vorbei.
    Ein schmutzig weißer Fiat Ducato mit Dellen und Kratzern bog in den Hof ein, beschrieb einen Kreis und fuhr rückwärts an den Container. Ein Mann stieg aus und öffnete die Hecktüren. Kurze schwarze Haare, asketisches Gesicht, unrasiert. Mitte Zwanzig. Violettes Hemd mit schwungvollem weißem Muster und hochgekrempelten Ärmeln. Schwarze Jeans mit abgewetzten Ledereinsätzen an den Taschen und einigen Löchern, die so aussahen, als wären sie Einschüsse. Spitze, abgestoßene Stiefeletten mit Messingschnallen. Er betrachtete das Areal, das verlassene Gebäude, die Büsche und die umliegenden Dächer. Dann schien er den Boden vor dem Container abzusuchen.
    Sah er etwa meine Fußabdrücke?
    Ein zweiter schloss das Tor und ging schnell zum Transporter. Er war jungenhaft, mit teigigem Gesicht und üppigen schwarzen Haaren. Siebzehn vielleicht. Man konnte ihn für einen HTL-Schüler oder Lehrling halten. Er hatte einen offenen Ausdruck und so etwas wie Gottvertrauen in seinem Blick. Welpenhaft. Zu strahlend sauberen Nikes trug er verwaschene, fast weiße Jeans mit Nietengürtel und ein buntes T-Shirt.
    Beide waren schlank und bewegten sich, als wären sie topfit. Mir wurde bewusst, dass meine Pistole trocken und sauber im Vorzimmerschrank lag.
    Der Junge entriegelte die Vorhängeschlösser und öffnete die Türen. Eine leere Red-Bull-Dose fiel scheppernd auf den Asphalt. Der Ältere nickte, als habe er damit eine Bestätigung erhalten und erteilte Anweisungen in einer Sprache, die ich nicht verstand. Manches klang wie Italienisch.
    Ich war zehn Meter von ihnen entfernt. Logenplatz. Ich staunte. Der Container war halb voll. Auf Regalbrettern, die quer über die Breite reichten, standen säuberlich geschlichtet Kartons in allen Größen. Manche trugen Schriftzüge und Logos wie VAG, Toshiba oder Sony. Viele waren ohne Aufschrift. An den Wänden waren nachträglich angeschweißte Ösen und Halterungen, um Gurte zu befestigen und weitere Regalbretter einzulegen. Vorn lagen gefaltete Kartons, eine Rolle Plastikfolie und Decken bereit. An einem Haken baumelte ein großer transparenter Sack mit Styroporflocken.
    Die beiden begannen, schwarz glänzende, breite Autoreifen aus dem Transporter hineinzutragen. Auf den Laufflächen klebten noch die Etiketten des Herstellers. Gummigeruch wehte zu mir. Sie errichteten bis zur Decke reichende Stapel auf dem zerschrammten Holzboden. Dann spannten sie Gurte und verzurrten sie säuberlich.
    Richtige Facharbeiter.
    Kurzhaar holte ein Mobiltelefon aus seiner Hosentasche und setzte Sim-Karte und Akku ein. Er wählte eine Nummer und redete nonstop. Mit dem freien Arm fuchtelte er und zeigte in den Container.
    Ich schnappte Wortfetzen auf. Ste . Luni . Da .
    Dann legte er auf, trat gegen die Containerwand, dass es dröhnte und schrie: »Rahat!« Er wählte noch einmal.
    Der Junge sah gespannt und unsicher zu. Er schien beflissen, alles richtig zu machen. Ein Verbrecherlehrling? Hätte ich einen Sohn, wäre der um diese Zeit noch in der Schule? Oder bei Kumpels? Vielleicht hatte er nach dem Standard seines Heimatlandes ja auch das große Los gezogen. Import-Export. Wo er wohl die Nächte verbrachte? Würde Poldi ihn erwischen? Komplett mit Abschiebung und Aufenthaltsverbot?
    »Hallo, Stefan. Ich brauche Auto am Montag auch«, sagte Kurzhaar. »Ja. Danke, Stefan.« Er zerlegte das Handy wieder und überschüttete den Jungen mit einem Redeschwall. Der nickte und grinste mit schlechten Zähnen. Beide lachten. Harharhar. Sie klemmten die Red-Bull-Dose wieder ein und knallten die Türen zu. Sargdeckel.
    Montag

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