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Gelegenheitsverkehr

Gelegenheitsverkehr

Titel: Gelegenheitsverkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Sander
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Vielleicht teilten wir uns den gleichen Server? Das wäre ja lustig.
    Ein Schlosssymbol in der Fußzeile zeigte an, dass der Datenaustausch verschlüsselt wurde. Aber wenn der ganze Bildschirminhalt abfotografiert wurde, nützte das Bloderer überhaupt nichts.
    Die Nachbarin war verschwunden. Die Wäsche wiegte sich im Wind. Ich klickte weiter.
    Ein schlichtes Hauptmenü mit schnörkellosen Buttons:
    New data
    Change data
    Requirements
    Log out
    Ganz oben stand Austria 3 .
    Ich griff ins Leere nach meiner Semmel. Ich musste sie unbemerkt aufgegessen haben.
    Im nächsten Bild waren eine Reihe von Eingabefeldern.
    276 / VW-Audi / Plötzenederstraße 12 4111 Walding / Rückseite Tür links vom Reifenstapel. leer ab 18:15 / 2 neue Tester VAS5053, RadioNav
    Die restlichen Felder waren noch leer. RadioNav sollte vermutlich Navi heißen. Dem Trojaner war egal, ob Bloderer fertig getippt hatte oder nicht. Der knipste, wann er knipsen musste. Das war wohl die 300-Euro-Info von Ewald.
    Und dann ein Volltreffer. Drei Bilder aus dem Menü »Change data«. Vielleicht hatte Bloderer nicht gleich gefunden, was er suchte und musste blättern. Im dritten Bild hatte er in Zeile 271 »Italienurlaub von 9. 7. –23. 7.« eingetippt.
    Ich salutierte in Gedanken vor den Hintermännern dieses Unternehmens. Die gingen mit der Zeit. Hut ab. Leider hatten die Herren Verbrecher nicht vermerkt, wann sie welche Gelegenheiten abarbeiten wollten.
    Die letzten Screenshots überflog ich nur. Fat burner und Proteinkonzentrate. Nackte Frauen in offenherzigen Stellungen. Bloderer stand auf großbusige Blondinen. So eine Überraschung. Vorbildlich. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Ich speicherte die Bilder auf einem USB-Stick.
    Ich wusste zwar immer noch nicht, ob Richter umgebracht worden war oder nicht, aber mit einem Mal war diese Möglichkeit überdeutlich präsent. Hunderte Zeilen mit detaillierten Informationen. Dieser Umfang ging wesentlich über Kleinkriminalität hinaus. Das roch nach Mafia. Ein siebzigjähriger Pensionist stand denen nicht lange im Weg.
    War Richter lästig geworden? Hatte er damit gedroht, alles auffliegen zu lassen? War er zu gierig geworden und wollte mehr Lohn? Sollte ihn jemand zur Räson bringen? Höchste Zeit, mit Bloderer zu reden.
    Die Organisatoren dieses Internetauftritts waren ziemlich sicher nicht von hier. Ich überlegte, wie Ortsunkundige zu den angegebenen Adressen finden würden. Buna ziua, Österreich! Mit dem Navi natürlich, Dummkopf, schalt ich mich. So wie die zwei Leberkäsesüchtigen vor dem Unimarkt mit den Antennen an ihrem vergammelten Auto. Ich rief mir das Bild der beiden ins Gedächtnis. Was hatten die überhaupt hier gemacht? Waren das Baustellenarbeiter? Saisonkräfte? Nach Altenpflegern oder Touristen hatten sie nicht ausgesehen. Der Astra in Smirniks Wohngegend fiel mir ein. Und die Reaktion des Beifahrers, als der Streifenwagen vorbeifuhr. Das Gekritzel auf dem Block. Als hätten sie genau darauf gewartet. Zu zweit im Auto. Beobachter. Ein Fahrer, ein Navigator. Aufklärer. Immer nah am Feind.
    Ich musste Poldi informieren. Ich stand auf und kramte in einer Lade nach etwas Süßem. Während ich einen Knuspertraum verputzte, wählte ich seine Nummer. Es meldete sich nur die Voicemailbox. Mit der mochte ich nicht sprechen. Ich legte das Handy wieder weg.
    Fast 300 gute Gelegenheiten. Wohin mit all dem Diebesgut? Der Container fiel mir ein. Plötzlich interessierte mich der Inhalt brennend. Bloderer konnte warten.

    *

    Ich stieg auf die untere Torangel, hielt mich an der Mauerkante fest und zog mich hoch. Dann schwang ich meine Beine hinüber und sprang. Ich blieb in der Hocke und lauschte. Kein Geräusch, kein Hundegebell. Leichte Malzgerüche der Kaffeerösterei lagen in der kühlen Luft. Ich stand auf.
    Das Gelände war so groß wie ein Supermarktparkplatz und wirkte verlassen. Aus Spalten im Asphalt wuchsen Büsche und langes Gras. An ein paar Stellen fanden einzelne dürre Bäume Halt. Gegenüber vom Tor war ein niedriges rußgeschwärztes Gebäude mit eingeschlagenen Scheiben. Auf und unter einer Laderampe lagen zerbrochene Sessel, Eisenrohre, Kartons und Holzreste in einem wilden Durcheinander.
    Der Container war eine blaue Schachtel aus geripptem Stahl, gut zehn Meter lang und zweieinhalb breit. Hinter der Mauer zum Hafenbecken ragte ein Kran auf. Damit wäre es ein Leichtes, das Ding herauszuheben und vielleicht auf ein containergeeignetes Schiff zu verladen. Je zwei

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