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Gelegenheitsverkehr

Gelegenheitsverkehr

Titel: Gelegenheitsverkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Sander
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Wahrscheinlich unter dem Sitz, wie immer.
    Telefon suchen, wählen, erklären, Funkverkehr, Anfahrt der Streifen  … Zu lange. Ich ließ es sein. Ich raste im Slalom dahin und musste immer wieder stark abbremsen und blitzartig beschleunigen. Wenn ich so weiterfuhr, hatte ich ohnehin bald ein paar Blaulichter im Schlepptau.
    Ich malte mir die Lage aus. Ein ertapptes Nervenbündel mit Schraubenzieher war unberechenbar. Erst der Plasmafernseher, dann Elisabeth.
    Bis ich das Stadtgebiet hinter mir ließ, hatte es viermal geblitzt. Hundertsechzig statt achtzig, give or take. Die würden die Korken knallen lassen im Strafamt.
    Jetzt konnte ich endlich aufdrehen. Ich scheuchte ein paar Hindernisse von der Überholspur und drückte drauf.
    Noch dazu wohnte sie allein.
    Hinter Treffling scharte sich ein zaghaftes Kleinwagengrüppchen um die Regenschleier eines Lastwagens. Ich wich auf den Pannenstreifen aus und überholte mit zweihundert.
    Ich schoss Elisabeths Straße entlang und bremste scharf. Splitt spritzte, das ABS ratterte.
    Eingetroffen.
    Auf geräuschloses Anrücken verzichtete ich. Elisabeth zu beschützen hatte erste Priorität. Täter schnappen kam später.
    Kein Auto, nichts Verdächtiges. Ich rannte zum Eingang.
    Die Tür ging auf. Elisabeth stand in Seidenrobe und High Heels da. Frisch versprühtes Parfum drang heraus. Auf dem Boden zwei Papiertragetaschen von Feinkost Fink.
    »Du warst aber schnell«, sagte sie erfreut. »Und was du anhast. Mein schwarzer Ritter.« Sie musterte meine Hände. »Sind das Latexhandschuhe?«
    Fehlalarm.
    In mir schwappte Adrenalin wie Öl in einem Supertanker bei schwerer See. Das Ticken des heißen Motors lärmte. Die Laute einer einzelnen Grille drangen überdeutlich an mein Ohr. Ich folgte der Aufwärtsbewegung ihrer Wimpern in Zeitlupe und beruhigte meinen Atem.
    »Ich habe mir Sorgen gemacht«, sagte ich schließlich.
    »Ooh. Das ist so süß. Und so aphrodisierend.« Sie zog am Gürtel. Zwischen Corsage, Höschen und Strapsen blitzte weiße Haut hervor. »Rette mich«, hauchte sie.
    Ich gab der Tür einen Tritt und trug Elisabeth ins Schlafzimmer.

9
    »Hier, mein Schatz!«, sagte Elisabeth und reichte mir eine Tasse Kaffee. Ehepaarqualität. Beunruhigend. Sie war schon geschminkt und ausgehfertig in einem eleganten Wollrock mit Blazer.
    Wir hatten verschlafen. Elisabeth musste um neun im Gericht sein. Ich würde heimfahren und mich umziehen. Eine Verschnaufpause kam mir ganz gelegen. Ich trank aus und ließ die Tasse auf einer Vorzimmerkommode zurück.
    »Dein Riesensarg blockiert die ganze Straße«, sagte sie mit einem Blick über die Schulter und sperrte die Haustür zu. »Mir wäre gar nicht aufgefallen, dass du etwas zu kompensieren hättest.« Sie lachte mich aus.
    »Leihauto«, sagte ich. »Weil meins kaputt ist.«
    »Vorsicht mit dem Lippenstift.« Wir küssten uns. »Gut, dass ich ganz am Ende wohne«, sagte sie und ging zu ihrem Cabrio.
    Ich drehte den Zündschlüssel. Der Wagen gab keinen Mucks von sich. Vertrug er etwa das schnelle Fahren nicht? Nach zwei weiteren Versuchen stieg ich aus und winkte Elisabeth um das Hindernis herum. Sie grinste breit und fuhr davon. Ich öffnete die Motorhaube. Aussichtslos. Nicht einmal die Batterie konnte ich finden.
    Ich holte das Plastikmäppchen aus dem Handschuhfach und legte es aufs Dach. Dann robbte ich unter den Fahrersitz und holte mein Telefon hervor. Ein Anruf in Abwesenheit, unterdrückte Nummer. Polizei wahrscheinlich. Die waren auf Notrufscherze nicht gut zu sprechen.
    Sogar in der Sonne war die Mietwagen-Hotline schlecht zu entziffern, so winzig klein war sie gedruckt. Sollten die zusehen, dass sie den Kahn wieder flottbekamen. Ich würde mir ein Taxi rufen.
    Zwei ältere Damen in grellen Sportanzügen und aufwendigen Frisuren hielten auf mich zu. Eine grün, die andere gelb. Sie verlangsamten ihre Schritte und guckten neugierig auf das Auto, auf mich und die Zettel am Dach.
    »Guten Morgen«, grüßten sie unisono und freundlich. Weichspülergeruch mischte sich in die kühle Morgenluft.
    »Guten Morgen, meine Damen«, sagte ich. »Gute Neuigkeiten. Das Projekt ist genehmigt.«
    Sie blieben stehen.
    »Was denn für ein Projekt?«, fragte die Grüne.
    »Wer sind Sie denn?«, fragte die Gelbe.
    »Ich komme von der EU«, sagte ich und zeigte auf die Mietwagenzettel. »Abteilung Regionalstromförderung.« Das Mafiamobil mitten auf der Straße verlieh mir Glaubwürdigkeit. »Frau Doktor Mohntaler ist für alle

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