Geliebte der Nacht
seit Kindertagen auf diesem Pferd.
Einen letzten Blick warf sie auf die Männer und lächelte sie an. Schwer bewaffnet trat sie ihre Reise an. Sie brachte das Ross nach kurzer Zeit schon in den Galopp und preschte mit ihm durch die Straßen von Dulanis.
Ihr Ausflug verlief ereignislos. Unangenehm ruhig sogar. Früher hatte sie häufiger Wegelagerer überlisten und abhängen müssen, nun war alles wie ausgestorben.
Einen weiteren Tag später erreichte sie Belron. Die Felsstadt ragte vor ihr auf und trieb Calliope abermals an. Sechs Tage hatte ihre Reise in Anspruch genommen. Gerastet hatte Cassandra immer nur wenige Stunden, damit sie zügig die Silberstreifgilde aufsuchen konnte.
Sechzig Minuten hatte sie gebraucht und ließ ihr Pferd auslaufen. Dann band sie die Stute an und wunderte sich, dass sie keine Menschen sah. »Normalerweise ist hier immer viel Leben«, murmelte sie dem Tier zu.
Anschließend zog sie ihr Schwert und ging vorsichtig auf den Fels zu, der die Gilde beherbergte. Ihre Schritte hallten von den Wänden wider. Die Korridore lagen verlassen dar, bis sie den Raum des Rates betrat.
»Oh mein Gott«, stieß sie aus und wandte ihren Blick ab.
Die Leichname türmten sich, die Mauern waren blutverschmiert und der Boden vor geronnenem Blut nicht mehr erkennbar. Eingeweide säumten den Gang.
Tief atmete sie durch und sah wieder hin. Dann schritt sie auf den Leichenberg zu und erkannte Xaido, Zacharias und ihre anderen Gefährten. Tränen stiegen in ihre Augen, doch kämpfte sie diese nieder. Es stank bestialisch nach Verwesung. Fliegen labten sich bereits an dem toten Fleisch und Maden quollen aus den Mündern einiger Jäger. Unwillkürlich fing sie an zu zittern und bemühte sich keine Übelkeit aufsteigen zu lassen.
Während ihrer Lehrzeit hatte sie viel Übel gesehen, aber das hier übertraf alles.
»Hilfe«, drang es leise an ihr Ohr.
Sofort sah sie sich um. Hier lebte noch jemand. Cassandra begann zu such en, u nd sich durch die verstreuten Leichenteile zu bewegen.
»Wo seid Ihr?«, fragte sie.
»Hier«, lautete die Antwort. Dann fand sie ihn und fiel neben ihm auf die Knie.
»Um Himmels willen Tylsar, was ist geschehen?«, wollte sie wissen und half unter den Leichen von vier Jägern hervor. Er hatte eine Stichwunde im Bauch, wie es schien, denn dort war sein Oberhemd voll Blut.
»Seid Ihr verletzt?«, erkundigte sie sich.
»Nicht wirklich«, entgegnete er.
»Lady Cassandra, Ihr müsst auf der Stelle verschwinden«, fuhr er fort.
Sie sah ihn verwirrt an.
»Was ist geschehen?«
»Die Bruderschaft überfiel uns und tötete alle«, begann er und zog sein Hemd auf.
Sie riss die Augen auf. Man hatte ihm das Wappen der Jäger in die Haut gebrannt. Eine kräftige Weißeiche zierte seine Brust bis hinunter zu seinem Bauch. Darunter hatte man das lateinische Wort für »Verräter« in seine Haut geschnitten.
Tylsar setzte an, um weiterzureden, als er erstarrte. Cassandra spritzte sein Blut ins Gesicht und sie schrie erschreckt auf. Mit einem Pfeil im Hals brach ihr Gefährte zusammen, röchelte, keuchte und schließlich starb er. Als sie ihren Blick von ihm lösen konnte, sah sie sich um. Dann schaute sie nach oben. Auf der Balustrade saß jemand und legte auf sie an.
~ Merphan ~
Merphan hatte gut getroffen. Er war der Einzige der Bruderschaft, der zurückgeblieben war, falls weitere Nimrode des Silberstreifordens auftauchten. Nun hatte Gott ihm geholfen und die Gräfin Avabrucks hergeführt. Er grinste und zielte auf sie. »Kommt runter und kämpft wie ein wahrer Jäger«, forderte sie und hob ihre Silberklinge, die ihr wegen des Anblicks aus der Hand geglitten war, auf.
Merphan kam der Aufforderung nach und sprang von der meterhohen Brüstung herunter. Mit einem lauten Knall landete er auf seinen Füßen und zog seine Klinge. Es war ein Zweihänder. Ein schweres Schwert, unvergleichbar mit Cassandras Langschwert.
Cassandra wartete, überließ ihm den Angriff und nahm eine defensive Grundhaltung ein. Merphan umkreiste sie, seine schwarzen Augen taxierten sie, sein Mund grinste sie an.
»Ich werde Euch auslöschen Monsterhure«, drohte er und stürzte auf sie zu.
Im nächsten Atemzug wich sie ihm aus und schlug zu. Ihre Klinge schnitt in seinen Arm und er knurrte verärgert.
»Wir kam en, u m sie zu bekehren und sie verhöhnten uns, dass wir Menschen töten und keine Monster. Dass wir Abschaum sind und dabei sind wir die Unsterblichen«, verkündete er.
»Das ist kein Grund
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