Geliebte der Nacht
erkälten. Gerade begab er sich zu den Stallungen, als ein Bote auf das Haus zuritt. Er zog seine Handschuhe an und sah dabei dem Burschen entgegen, der sein Pferd vor ihm zum Stehen brachte.
»Seid Ihr James, Graf von Avabruck?«, fragte der Reiter.
»In der Tat«, antwortete er. Ihm wurde eine Nachricht übergeben und James musterte das Pergament. »Von wem stammt dieser Brief?«, erkundigte er sich.
»Das weiß ich nicht, ein junger Herr gab ihn mir«, entgegnete er. Es fehlte ein Siegel, also war es kein offizielles Schreiben.
»Geht hinein und lasst Euch einen Tee servieren. Ihr müsst durchgefroren sein und die Magd soll Euch einen Lohn für Euren Dienst geben«, sagte James und deutete zum Haus.
Dankbar nickte der Bote und stieg vom Pferd. Esra, der vor der Tür gestanden hatte, hatte es mit angehört und würde es Margret bestätigen, dass sie dem Herrn die üblichen zwei Goldstücke übergeben sollte.
James wandte sich wieder dem Stall zu und schritt darauf zu. Der frische Schnee knirschte unter seinen schweren Stiefeln, die gefüttert waren, damit er sich keine Erfrierungen holte. Auf dem Weg entfaltete er das Pergament und begann zu lesen. Seine Kiefer mahlten, als er die kantigen Buchstaben las und seine Augen verengten sich. Es stand kein Absender auf dem Brief und, dass er kein Siegel trug, machte James misstrauisch.
»Ich weiß, was Ihr seid.«
Diese wenigen Worte verursachten ihm Kopfzerbrechen. Wer hatte ihm geschrieben? Warum hatte man ihm geschrieben? Fragen über Fragen, auf die der Graf mehrere Antworten fand. Von Esra oder Margret, die wussten, was er war, würde er sicherlich nicht sein. Die beiden Bediensteten waren dankbar für die Arbeit, die James ihnen gegeben hatte, und verrichteten sie gewissenhaft. Stets waren sie auch darauf bedacht, ihn zu schützen. Cassandra konnte es ebenfalls nicht gewesen sein, ihre Schrift war um so vieles hübscher. Der Graf faltete das Pergament und steckte es in die Tasche seines Mantels. Er ging auf Shadow zu und streichelte den Hals des Tiers. Der Hengst stupste ihn an und James lachte leise.
»Du kannst es kaum erwarten, nicht wahr?«, fragte er das Ross. Mit einem Schnauben antwortete Shadow. James saß auf dem Pferd auf und gab ihm die Sporen. Wiehernd galoppierte das Tier sofort los. Die Hufen wirbelten den frisch gefallenen Schnee auf und neuer Schneefall hatte bereits eingesetzt. James setzte sie Kapuze seines Mantels auf und zog den Schal enger um seinen Mund. Die kalte Luft verursachte einen stechenden Schmerz. Der Tag war dunkel und sein Weg führte ihn zuerst ins abgelegenste Dorf Avabrucks. Es war klein, dort lebten vielleicht achtzig oder neunzig Menschen und es gab eine Kapelle. James sprang von Shadows Rücken und wandte sich dem Gotteshaus zu. Er unterhielt sich mit dem Pastor und überreichte ihm eine Spende, um die ärmeren Einwohner speisen zu können. Dem Grafen war es wichtig, dass niemand in seiner Grafschaft Hunger litt. Nach einem Rundgang durch das Do rf s etzte er seinen Weg fort. Spät am Abend erreichte er die letzte Gemeinde seiner Ländereien und stieg in einem Gasthaus ab. Der Wirt war freundlich, und als er James erkannte, hatte er auf den Lohn verzichtet, dennoch hatte der Graf ihn für das Quartier entlohnt und sich zurückgezogen. Die Wintermonate waren James die liebsten des Jahres. Der Vollmond brach nicht oft durch die Wolkendecke und so war er nur selten gezwung en, sich zu verwandeln. Er lag auf dem Bett und hie lt erneut das Pergament in den Händen. Noch immer fragte er sich, wer ihm schaden wollte und entschloss sich, am nächsten Tag mit Esra zu sprechen. Er nahm sich vor, Caleb einen Brief zu schicken und sich zu erkundigen, ob er eine Ahnung hatte, wer es auf ihn abgesehen hatte. Der Graf fiel in einen unruhigen Schlaf, wieder einmal war Cassandra in seinen Träumen erschienen und verließ ihn abermals. Sein Herz hatte es nie ganz verkraftet, dass sie gegangen war und, dass sie ihm auf sein Schreiben nicht geantwortet hatte, schmerzte ihn umso mehr. Früh am Morgen erwachte der Graf in dem kühlen Schlafgemach und sah sich um. James hatte einen Moment benötigt sich zu erinnern, wo er war. Das Feuer im Kamin war in der Nacht erloschen und nun war es eiskalt. Seine Körperbeherrschung hielt ihn davon ab mit den Zähnen zu klappern und so erhob er sich. Zügig kleidete er sich an und ergriff seine Tasche. Den Brief steckte er zurück in seinen Mantel und verließ das Quartier. Nach einem weiteren Dank beim
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