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Geliebte der Nacht

Geliebte der Nacht

Titel: Geliebte der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Adrian
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Zeit begann sie es regelmäßig zu tun, wann immer sie das Bedürfnis verspürt hatte, das gleiche tiefe Gefühl von Ruhe zu empfinden.
    Und sie verspürte dieses Bedürfnis auch jetzt; aufgeregt und nervös wie eine Katze. Ihre Ohren achteten auf jedes kleine Geräusch, das in der Wohnung und draußen zu hören war. Ihr Herz pochte. Sie atmete flach und schnell durch den Mund.
    Ihre Gedanken flogen von einer Erinnerung zur anderen, von der Nacht beim Club über die gruselige Nervenheilanstalt, wo sie neulich morgens Fotos gemacht hatte, bis hin zu der verwirrenden, irrationalen, existenziellen Angst, die sie an diesem Nachmittag in der Stadt gespürt hatte.
    Sie brauchte ein bisschen Frieden, etwas Abstand von all diesen Dingen.
    Und seien es nur einige wenige Minuten Ruhe.
    Gabrielles Blick glitt zu dem hölzernen Messerblock, der auf der Küchentheke neben ihr stand. Sie streckte die Hand aus und nahm eines der Messer in die Hand. Es war Jahre her, dass sie das zuletzt getan hatte. Sie hatte so hart daran gearbeitet, diesen merkwürdigen, beschämenden Zwang zu beherrschen.
    War er je wirklich verschwunden?
    Ihre Psychologen und Sozialarbeiter – alle staatlich geprüft – waren schließlich davon überzeugt gewesen. Und auch die Maxwells.
    Gabrielle bezweifelte das, als sie das Messer zu ihrem bloßen Arm führte und spürte, wie sie düstere Vorfreude überkam. Sie drückte die Spitze der Klinge gegen den fleischigen Teil ihres Unterarms, aber noch nicht so fest, dass die Klinge die Haut verletzt hätte.
    Das hier war ihr persönlicher Dämon – noch nie hatte sie offen darüber mit jemandem gesprochen, nicht einmal mit Jamie, ihrem engsten Freund.
    Niemand würde es verstehen.
    Sie verstand es ja selbst kaum.
    Gabrielle legte den Kopf in den Nacken und holte tief Luft. Als sie langsam wieder ausatmete und ihr Kinn nach unten sinken ließ, sah sie ihr Spiegelbild in dem Fensterglas über der Spüle. Das Gesicht, das sie anstarrte, sah abgespannt und traurig aus, die Augen gehetzt und erschöpft.
    „Wer bist du?“, flüsterte sie diesem geisterhaften Spiegelbild zu. Sie musste ein Schluchzen unterdrücken. „Was stimmt nicht mit dir?“ Unglücklich über sich selbst, warf sie das Messer in die Spüle und wich zurück, als es in dem Becken aus verchromtem Stahl schepperte.
     
    Das stetige Rattern der Hubschrauberrotoren durchbrach die Stille der Nacht über der alten Nervenheilanstalt. Aus der niedrig hängenden Wolkendecke kam eine schwarze Colibri EG 120 heraus und landete sanft auf der weiten Fläche des Daches.
    „Schalte den Motor aus“, befahl der Führer der Rogues dem Piloten, einem Lakaien, nachdem der Helikopter auf dem behelfsmäßigen Hubschrauberlandeplatz aufgesetzt hatte. „Warte hier auf mich, bis ich zurückkehre.“
    Er kletterte aus dem Cockpit und wurde sogleich von seinem Stellvertreter empfangen, einem ziemlich abscheulichen Individuum, das er an der Westküste rekrutiert hatte.
    „Alles ist in Ordnung, Sire.“ Über den wilden gelben Augen des Rogue ragte eine grobe Stirn hervor. Sein großer, kahler Schädel trug noch immer die Narben der Verbrennungen, die ihm während einiger Verhöre durch den Stamm vor einem halben Jahr mit Stromschlägen zugefügt worden waren. Allerdings fielen die zahllosen Brandnarben inmitten der sonstigen abstoßenden Hässlichkeit des Vampirs kaum auf. Er grinste und entblößte dabei riesige Fangzähne. „Eure Geschenke heute Nacht wurden sehr gut aufgenommen, Sire. Alle erwarten eifrig Eure Ankunft.“
    Der Führer der Rogues, dessen Augen hinter einer dunklen Sonnenbrille verborgen lagen, nickte leicht. Er schritt gemächlich aus, als er in das oberste Stockwerk des Hauses und dann zu einem Aufzug geführt wurde, der ihn hinunter in das Herz des Gebäudes bringen würde. Sie fuhren ganz nach unten ins Erdgeschoss, stiegen dort aus dem Fahrstuhl aus und durchquerten ein Labyrinth aus verzweigten, unterirdischen Gängen, das einen Teil der allgemeinen Garnison ihres Verstecks ausmachte.
    Der Führer selbst hatte im vergangenen Monat seinen Sitz in Privatquartieren irgendwo in Boston gehabt, wo er zurückgezogen Einsätze analysiert, mögliche Hindernisse abgeschätzt und seine größten Stärken in dem neuen Gebiet, das er beherrschen wollte, abgesteckt hatte. Dies sollte sein erster öffentlicher Auftritt sein – ein Ereignis, das vollkommen seiner Absicht entsprach.
    Es kam nicht oft vor, dass er sich in den Dreck der niederen Bevölkerung

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