Geliebte Fälscherin (German Edition)
Augen sah.
Claire benetzte ihre trockenen Lippen und fragte sich dann, ob das von schlechter Etikette zeugte. „Ich spreche fließend französisch und man hat mir gesagt, dass ich mich sehr gut mit Worten ausdrücken kann, obwohl …“ Ihr selbstkritisches Lachen klang eher wie ein hohes Quietschen. „… ich sicher bin, dass es im Moment nicht so aussieht. Zu guter Letzt besitze ich eine sehr gute Handschrift. Das kann ich Ihnen gern vorführen, wenn Sie möchten.“
Da sie Mrs Acklens fehlende Antwort als klares Nein deutete, wartete Claire und fragte sich, ob sie weitersprechen oder sich einfach entschuldigen sollte, um ohne einen Blick zurück aus dem Haus zu fliehen.
Schweigen hämmerte in ihren Ohren, und es kostete sie alle Kraft, den Gefühlen, die ihren Brustkorb immer enger zusammenschnürten, nicht nachzugeben.
Nach einer quälenden Pause griff Mrs Acklen nach ihrer Teetasse. Sie nippte daran und stellte die Tasse wieder ab. Dann atmete sie in aller Ruhe ein und wieder aus. „Miss Laurent, soll ich daraus, dass Sie mir bis jetzt die nötigen Empfehlungsschreiben nicht vorgelegt haben, schließen, dass Sie auch ohne Referenzen zu diesem Vorstellungsgespräch gekommen sind?“
Allein mit reiner Willenskraft hielt Claire dem Blick dieser Frau stand. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, hierherzukommen? Aber das war genau der springende Punkt. Sie hatte nicht gewusst, wo hier ist. Und sie hatte nicht ahnen können, welche hohen Ansprüche Adelicia Acklen stellte. „Nein, Mrs Acklen. Es tut mir leid. Ich habe keine Empfehlungsschreiben bei mir. Ich kam erst vor Kurzem in Nashville an und hatte deshalb keine Gelegenheit …“
Wozu? Alles, was ihr einfiel, kam ihr wie eine lahme Ausrede vor. Oder wie eine Lüge. Und, was noch schlimmer war: Sie ahnte, dass Mrs Acklen das genauso sah.
Das Schweigen wurde schwerer, und Claire fühlte die heißen Tränen in ihren Augen brennen, während ihre Hoffnung auf dieses Vorstellungsgespräch und alles, was es für sie hätte bedeuten können, schlagartig erstarb. Aber sie würde vor dieser Frau, die in ihrem reichen, verwöhnten Leben wahrscheinlich noch nie eine Träne vergossen hatte, nicht weinen. Sie biss sich innen in die Wange, um ihre Tränen zurückzuhalten.
Während sie auf ihre Hände starrte, die sie auf ihrem Schoß fest gefaltet hatte, dachte Claire an das Porträt des Mannes in der Eingangshalle und wusste, dass sie ungerecht war. Aber wenn sie sah, was diese Frau alles hatte … Wie konnte jemand wie sie verstehen, wie sich Claire fühlte?
Das hohle Ticken einer Uhr irgendwo im Zimmer zeigte an, wie die Sekunden verstrichen.
So hatte sie sich ihr Leben nicht vorgestellt. Sie konnte in diesem Moment nicht genau sagen, wie sie sich ihr Leben erträumt hatte. Sie wusste nur, dass sie es sich so nicht vorgestellt hatte. Vor drei Monaten war sie neunzehn Jahre alt geworden und sie hatte keine Familie, kein Zuhause, keine finanziellen Mittel. Alles, was sie besaß, befand sich in ihrer Reisetasche im Haus der Buntings. Sie hatte nicht einmal einen Platz, an dem sie heute Nacht schlafen konnte. Und sie konnte die Freundlichkeit der Buntings nicht noch länger in Anspruch nehmen.
Sie fühlte Mrs Acklens aufmerksamen Blick und spürte, dass die Frau auf eine Erklärung wartete, warum ihre wertvolle Zeit so sinnlos vergeudet wurde. Und das zu Recht. Egal, wie kurz angebunden Mrs Acklen zu ihr war, Claire wusste, dass sie sowohl Mrs Acklens als auch ihre eigene Zeit verschwendete.
Sie hatte schon eine Entschuldigung auf den Lippen, als ihr Blick auf eine Zeitschrift fiel, die unter einem Kissen auf dem Sofa hervorschaute, auf dem Mrs Acklen saß. Als sie den Umschlag erkannte, regte sich in ihr ein Anflug von Wehmut.
Godey’ s Lady’ s Book.
Diese Monatszeitschrift war jahrelang eine Lieblingslektüre ihrer Mutter gewesen. Sie hatten sie miteinander gelesen und durch die Geschichten- und Gedichtsammlungen der Zeitschrift die Welt bereist. Sie waren davon begeistert gewesen, etwas über Mode und Kultur anderer Länder zu erfahren. Der Anblick dieser Zeitschrift und das Wissen, dass eine Frau wie Adelicia Acklen sie ebenfalls las, weckten in ihr gleichzeitig eine Wärme und eine neue Sehnsucht nach ihrer Mutter.
Auch wenn sie dieses Vorstellungsgespräch völlig falsch angepackt hatte, wusste Claire, dass sie die Fähigkeiten besaß, um Mrs Acklens Liaison zu sein. Und eine leise Stimme in ihr flüsterte, dass es kein Zufall war, dass sie hier war
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