Geliebte Korsarin
GOTLAND durchschnitt die hohen Wellen und fuhr – immer noch mit äußerster Kraft – in großen Kreisen das Gebiet ab.
Der Seenotruf schwieg. Red Lawrence meldete sich nicht mehr.
Entweder hatte das Meer die Funkanlage bereits geschluckt, oder das kleine Fahrzeug war gesunken, und Lawrence und Annette schwammen schon um ihr Leben.
Joanna blickte Andreas an. Er stand, das Gesicht gegen die Scheibe des Kommandoraums gepreßt, und starrte auf die wilde See. Er schien um Jahre gealtert.
»Wir finden sie, Liebling …«, sagte Joanna mit unendlicher Zärtlichkeit in der Stimme. »Wir finden sie rechtzeitig …«
»Die Haie …«, stöhnte er.
»Solange sie noch ein Brett haben, können sie sich vor ihnen retten.«
»Wenn sie noch eins haben …«
Es war ein Tag, wie ihn nur der Satan machen kann. Während das Meer noch tobte, begann die wundervollste Abenddämmerung, die Rainherr je gesehen hatte. Der ganze Himmel vergoldete sich, durchzogen von orangenen Streifen. Wie ein riesiger Blutfleck schwamm die Sonne im goldschimmernden Himmel.
McDonald hatte sich auf das Dach des Kommandoraums gesetzt, mit einem Strick an dem gekappten Radarmast festgebunden, und suchte mit dem Fernglas die See ab. Sie waren jetzt 50 Meilen von Saba entfernt und kreisten in nordwestlicher Richtung.
Wenn das Flugzeug von St. Barthélémy in einem Bogen herübergekommen war, konnte es nur dieses Gebiet sein.
Die Abenddämmerung ging in ein von Feuern durchleuchtetes Violett über. Noch eine halbe Stunde – und die Nacht hatte gesiegt … und mit ihr der Sturm! Dann gab es keine Hoffnung mehr, Flugzeugtrümmer und zwei Menschen zu finden.
»Ich sehe was!« brüllte McDonald plötzlich auf dem Dach. »Hart Backbord! Da treibt etwas. Sieht aus wie ein Flugzeugflügel! Hart Backbord!«
Das schnelle Schiff schwenkte sofort zur Seite. Mit aufrauschenden Bugwellen jagte es durch das Meer. Dann sahen es auch Joanna und Rainherr …
Auf den Wogen, leicht hinauf- und hinuntergeworfen, trieb ein Flugzeugflügel, und auf dem Flügel lagen, an das Leichtmetall gepreßt, die aufgeblasenen Schwimmwesten um den Hals, zwei Menschen.
»Annette …«, stammelte Andreas Rainherr. »Mein Gott, sie lebt noch …«
Joanna drosselte den Motor. Mit halber Kraft arbeitete sie sich an die Überreste des Flugzeugs heran. Red Lawrence lag auf dem Bauch und klammerte sich mit einer Hand an einer Flügelklappe fest, mit der anderen Hand hielt er die bis zum Tod erschöpfte Annette fest. Er hatte sie an sich gezogen, und als er jetzt den Kopf hob und das Schiff sah, lächelte er elend und schloß dann die Augen. Mit der Stirn schlug er auf den Flügel.
Gerettet, dachte er, gerettet in letzten Augenblick! Ich hätte Annette nicht mehr zehn Minuten halten können …
Er hörte, wie das Schiff stoppte, er fühlte, wie man längsseits zog … Dort lag er auf dem Rücken, öffnete die Augen und sagte schwach:
»Wenn ihr mir einen Whisky gebt, stehe ich in einer Minute wieder auf den Beinen …«
McDonald und Rainherr trugen die ohnmächtige Annette sofort hinunter in Joannas Schlafzimmer. Red Lawrence bekam noch an Deck seinen Whisky, aber er kam nicht auf die Beine, sondern fiel in sich zusammen.
Drei Männer trugen ihn unter Deck und zogen ihn aus, massierten ihn und rollten ihn dann in Wolldecken. Er schnaufte, öffnete kurz die Augen und sagte laut: »Und wer ersetzt mir meine Maschine?« Dann fiel er in einen tiefen Schlaf der totalen Erschöpfung.
Nach zehn Minuten Massieren wachte auch Annette auf. Sie seufzte tief, breitete die Arme aus und hob den Kopf. Ihr Blick traf Rainherr und Joanna, die nebeneinander saßen und sich um sie bemühten.
»Mein Mädchen …«, sagte Rainherr rauh. Es war ihm unangenehm, daß ihm jetzt Tränen über die Wangen rollten. »Was machst du bloß für Sachen …«
»Paps!« Sie hob die Arme … dann sah sie Joanna an und zog ihren Kopf zu sich herunter.
»Ich danke dir, Mary-Anne«, sagte sie leise. »Vergiß alles, was war. Ich bin … bin ja nur zu dir gekommen, um dir das zu sagen …«
Die Arme um Joannas Hals geschlungen, fiel sie wieder zurück und schlief sofort ein. Aber ihr Atem war ruhig und fest wie bei einem Menschen, der mit sich zufrieden ist.
Über zwei Dinge sprach man in den nächsten Wochen an zwei verschiedenen Plätzen der Karibik viel.
Die Exportfirma Tolkins & Dalques wurde liquidiert, nachdem Fernando Dalques von einem Flug über das Meer nicht zurückgekehrt war. Er blieb
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