Geliebte Korsarin
Los, kommen Sie mit! Wer Sie auch sind, ein paar Dollar sind Sie immer wert! Wir haben noch nie ein Verlustgeschäft gemacht! Und wenn wir Ihr Schiff verkaufen …«
»Verkaufen? Und womit soll ich zurück?«
»Zurück?« Jim starrte den Angler völlig entgeistert an. »Mann, glauben Sie wirklich noch, es gäbe für Sie ein Zurück, nachdem ihr den Chef verwundet habt? Ich habe euch für stur, aber nicht für blöd gehalten …«
II
Die ALTUN HA war ein Piratenboot, wie man es sich perfekter nicht wünschen konnte. Auf einer der großen amerikanischen Werften, die sich auf ausgefallenen Luxus spezialisiert hatten, gebaut, war die ALTUN HA auf den ersten Blick nichts anderes als eine Luxusyacht mit Radar und Hochseefunk, Sonnendeck und einem Salon, der wohl größer, aber etwas niedriger war als der auf der ANNETTE I. Der Angler konnte gerade noch stehen mit einem Luftraum von etwa drei Zentimetern über seinem Kopf. Jim mußte seinen rothaarigen Schädel einziehen oder gebückt gehen.
Dafür war die Einrichtung bei weitem das eleganteste, was der Angler bisher auf Privatyachten gesehen hatte. Eine Einrichtung, vermutete der Angler, über der das Flair einer verwöhnten Frau schwebte. Man erkannte es an Kleinigkeiten: an Orchideen in einer Kristallvase zum Beispiel. Welcher Mann, vor allem welcher Piratenkapitän, stellt sich Orchideen auf den Tisch?
»Die Geschäfte gehen gut?« fragte der Angler. »Das Schiff ist fabelhaft. Nur die Kanone und die MGs stören mich.«
»Jeder Beruf hat sein Handwerkszeug.«
»Das stimmt.«
»Der Kapitän will mit Ihnen sprechen.«
»Da treffen sich unsere Wünsche.« Der Angler lächelte von neuem sarkastisch. »Wie stark ist denn Ihr Motor?«
»Das geht Sie einen feuchten Dreck an, Mister!«
Jim McDonald zeigte auf eine Tür im Hintergrund. Dort ging es wahrscheinlich zum Kommandantenraum. »Lassen Sie sich nur gesagt sein: Wir laufen allen Küstenwachbooten und selbst den Kanonenbooten der Marine davon! Lesen Sie keine Zeitungen?«
»Wenige. Mich interessiert nicht mehr, was Politiker sich gegenseitig vorlügen.«
»Und hören auch kein Radio?«
»Nur Musik. Vor allem Opern und Sinfoniekonzerte. Und den normalen Seefunk …«
»Du meine Güte! Dann haben Sie noch nie etwas vom ›Gespenst der Karibik‹ gehört?«
»Nein. Seid ihr das? Und ausgerechnet ihr müßt mich kapern? Es gibt wirklich Witze, die schon tragisch sind!«
Es stimmte. Hinter dem Salon, an einem Gang, lag backbords die Kapitänskajüte. Es war nicht die Kommandozentrale, sondern ein länglicher, ziemlich großer Schlafraum mit einem französischen Bett, Spiegelschränken und sogar Gardinen vor den beiden rechteckigen Bullaugen. Ein Hauch von einem herben Parfüm lag in der Luft.
Also doch eine Frau an Bord, dachte der Angler. Das durchbricht eigentlich die alte Piratentradition. Die Männer auf dem Schiff – die Weiber an Land, so war es überliefert. Eine Frau an Bord – nun, das hieß gleich den Teufel mitnehmen!
Der Kapitän saß auf dem Bett, im Rücken durch mehrere Kissen gestützt. Er hatte noch seine Uniformjacke an, nur wo das Messer im Brustmuskel gesteckt hatte, war die Körperseite unter der Jacke mit Zellstoff gepolstert. Und – merkwürdig! – der Kapitän hatte auch noch seine Mütze auf. Neben ihm auf dem Bett lagen einige Papiere. Der Angler erkannte, daß es sein Bordbuch und seine persönlichen Ausweise und Notizbücher waren.
McDonald gab dem Angler einen Stoß, daß er vor das Bett flog, brummte dann etwas Unverständliches und verließ die Kajüte. Der junge Piratenhäuptling griff nach dem Paß des Anglers und blickte hinein.
»Dr. Rainherr«, sagte er. Seine Stimme war ziemlich hell, für einen Mann geradezu knabenhaft, aber der metallische Unterton bewies doch Energie und Willenskraft. »Dr. Andreas Rainherr, geb. in Wuppertal. Fünfundvierzig Jahre alt, Chemiker.«
»Chemie-Ingenieur, Mister …«
»Tolkins …«
»Mr. Tolkins.«
»Sie wohnen auf Cayman Brac …«
»Ja.«
»Als Deutscher? Warum gerade auf den Caymans?«
»Warum wohnen Deutsche auf Grönland oder auf Feuerland? Die Geschmacksrichtungen sind eben verschieden.« Andreas Rainherr musterte den jungen Kapitän. Er sah blaß aus. Der Blutverlust mußte ihn sehr geschwächt haben.
Tolkins deutete den forschenden Blick anders. Er schüttelte den Kopf. »Es hat keinen Zweck, mich als Geisel zu nehmen. Draußen stehen meine Leute und würden zunächst Ihren Steuermann Juan umbringen. Wollen Sie
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