Geliebte Nanny
nähere. Mich trifft der Schlag, als das Paar sich zu mir umdreht. Ich blicke geradewegs in zwei mir wohlbekannte Gesichter: Fleischmützen - Schnösel - Volker und Sauerkraut - Silvana. O Scheiße. Automatisch drossele ich mein Tempo und bewege mich in Zeitlupe weiter voran.
»Ah, da bist du ja, Melek«, ruft Strahle - David und reicht mir den riesigen Cola - Becher.
Hoffentlich geht das gut!
Sollte ich vorzugsweise ein weiteres Mal Durchfall erfinden und den Rest des Abends lieber auf dem Klo verbringen?
Nur keine Panik! Immerhin habe ich unlängst diese beiden streitsüchtigen Hühner in der Toilette außer Gefecht gesetzt, obwohl mir das Herz dabei vor Angst fast in die Hose gerutscht wäre. Ich bekreuzige mich – selbstverständlich nur in Gedanken; sonst würde es seltsam aussehen und zusätzlich heikle Fragen aufwerfen.
»Tut mir leid, dass es länger gedauert hat. Ich…äh, wurde aufgehalten«, entschuldige ich meine lange Abwesenheit. Dabei verstelle ich meine Stimme, sodass Silvana sie nicht erkennt. David guckt etwas verwundert darüber, äußert sich aber nicht weiter. Er stellt mir Volker als alten Schulfreund vor, den er seit langem nicht mehr gesehen hat. Dass Silvana seine Freundin ist, weiß ich natürlich längst. Die beiden begrüßen mich mit einem steifen »Hallo«.
»Sie haben doch neulich das kleine Mädchen aus dem Swimmingpool gerettet, stimmt’s?«, erkundigt sich Volker.
»Ja, stimmt«, erwidere ich knapp und kehre den beiden meine Rückseite zu.
»Sie sind also das Kindermädchen«, ergründet Silvana und fährt sich mit den Fingern durch ihre Sauerkrautfrisur, die neuerdings mit ein paar Strähnchen in der Farbe von Rotkohl gespickt ist. Ich nicke und wende mich hektisch an David: »Sollten wir nicht langsam rein gehen? Die Werbung läuft mit Sicherheit schon!« Grundsätzlich kann mir die Werbung gestohlen bleiben, aber im Augenblick ist sie mir allemal lieber, als Konversation mit Silvana zu betreiben, die obendrein meine Verkleidung gefährden könnte. Nichtsdestotrotz habe ich mir vorgenommen David heute die Wahrheit zu sagen. Aber erst nach dem Film. Und zwar allein, unter vier Augen. Es wird mich meinen ganzen Mut kosten. Wenn ich nur an den Moment denke, in dem ich ihm alles erzählen werde, wird mir ganz übel.
»Ihr Ganzkörper - Badeanzug sah wirklich sehr interessant aus. War der aus Neopren?«, erkundigt sich Silvana, die von Natur aus eine Plaudertasche ist.
»Nein, aus Elastan«, antworte ich schroff. Auf einmal nimmt ihr Kopf in eine eigenartige Schrägstellung ein.
»Komisch! Sie erinnern mich an eine Bekannte von mir.« Silvana schaut von mir zu David, dann zu Volker.
»Ach, wirklich…?« Handlungsunfähig betrachte ich den Bodenbelag – roter Teppich mit Kaugummiflecken und festgetretenem Popcorn.
Silvana wendet sich Volker zu: »Findest du nicht, dass sie Melissa total ähnlich sieht? Sie redet und gestikuliert auch genauso wie sie.«
Verdammt!
»Ach, du meinst diese arbeitslose Kindergärtnerin? Diesen blonden Feger, mit den Endlosbeinen?« Volkers Augen leuchten und ein Grinsen bleibt auf seinen Lippen hängen.
»So’n Quatsch Silvie. Melissa ist doch blond und blauäugig«, beanstandet Volker, nachdem er Meleks Aussehen ein paar Sekunden lang erforscht hat. Wie gut, dass Männer sich nie die Augenfarbe von Frauen merken können, egal wie lange sie hineinglotzen.
David, der die ganze Zeit auffallend stumm zugehört hat, kratzt sich an der Stirn. »Redet ihr etwa von dieser blonden Tussi, der Freundin von Yasemin?«
Silvana und Volker nicken simultan. Aua, mein Bauch tut plötzlich so weh. Ich glaube, ich muss gleich wirklich zum Klo.
David guckt ganz komisch. »Das ist ja lächerlich«, bemerkt er. Dann schlägt er einen diffamierenden Ton an: »Melek mit dieser eingebildeten Melissa zu vergleichen. Die beiden sind sich ungefähr so ähnlich wie ein Dinosaurier und ein Gänseblümchen.«
Also ehrlich, was ist das denn für’n Vergleich? Ich möchte gerne wissen, wer von uns beiden bitteschön der Dinosaurier sein soll.
»Diese Zusammenkunft muss so schnell wie möglich ein Ende haben!«, sage ich mir und packe David beherzt am Arm.
»Jetzt müssen wir aber wirklich reingehen, sonst verpassen wir noch was!«, appelliere ich energisch. David hat keinerlei Einwände.
»Wir sehen uns bestimmt später«, sagt er eilig zu Volker und Silvana.
»Wir könnten zu viert was Trinken gehen, nach dem Film«, schlägt Volker
Weitere Kostenlose Bücher