Geliebte Nanny
vor.
»Gute Idee. Ach und übrigens, Melissa ist nicht blauäugig. Ihre Augen sind dunkelbraun.« Mit diesen Worten dreht David sich wieder zu mir und führt mich in den Kinosaal.
***
Ich habe noch nie so dermaßen unkonzentriert im Kino gesessen, wie heute. Von dem Film habe ich so gut wie gar nichts mitbekommen. Im Übrigen war es eine ziemlich bescheuerte Idee, als vorgeblich fromme Muslimin einen Film auszusuchen, in dem ungenierter Sex illustrativ in Szene gesetzt wurde.
So, jetzt ist es soweit. Der Film ist zwar noch nicht zu Ende, aber ich habe beschlossen, David endlich die Wahrheit über mich zu flüstern. Die Sache gestaltet sich jedoch schwieriger, als ich dachte. Nicht nur, weil ich beim Sprechen vor Nervosität ins Stottern gerate. Irgendwie erinnert mich das ganze ein bisschen an Stille Post .
»David, ich muss dir was sagen«, flüstere ich.
»Vielleicht verträgst du ja das Popcorn nicht«, wispert er zurück.
Häh?
»Wie kommst du darauf?«
»Manchmal kriege ich davon auch Probleme mit dem Magen.«
»Nicht Magen . Ich sagte, ich muss dir was sagen .«
»Was ist mit dem Wagen?«
»Äähhh…ach, vergiss es einfach«, gebe ich leicht gestresst zurück. Ich greife in die Popcorntüte, ziehe meine Hand aber sofort wieder heraus. Mist. Jetzt muss ich auch noch wegen dieses Kommunikationsdilemmas auf’s Popcorn verzichten.
Zehn Minuten später, starte ich noch einen Versuch.
»Ihr habt euch doch vorhin über diese blonde Frau unterhalten«, murmle ich in Davids Richtung.
»Keine Angst. Ich mag Dunkelhaarige viel lieber.«
Oh, na ganz toll. Vielleicht sollte ich es ihm doch nicht sagen!?
Der Abspann läuft. Ich vage einen letzten Anlauf.
»David…ähm, weißt du…ich bin nicht ganz so, wie…äh, wie du vielleicht denkst und wie du mich gern hättest…«, stammele ich.
Er dreht seinen Kopf zu mir. »Melek, ich mag dich so wie du bist. Du musst keine blonde Grazie sein, um mir zu gefallen. Sei einfach du selbst. Die süße Melek, mit dem großen Herzen.«
Wenn das mal so einfach wäre! Ich geb’s auf. Ich bringe es nicht über mich, ihm zu gestehen, dass ich nicht die süße Melek mit dem großen Herzen bin, sondern diese »blonde Tussi «, wie er Melissa jüngst selbst betitelt hat.
Das Nachtcafé neben dem Kino ist gut besucht. Volker und Silvana sitzen David und mir gegenüber. Die beiden Männer haben einen doppelten Espresso bestellt. Mir scheint, die wollen die ganze Nacht durchmachen. Silvana trinkt Martini. Und ich möchte am liebsten nach Hause, bestelle dennoch ein Glas Wasser.
Silvana beobachtet mich pausenlos. Irgendwann kann sie ihre Neugier nicht länger verbergen und fragt geradeheraus: »Und ihr zwei? Seid ihr etwa ein Paar?«
David verschluckt sich an seinem heißen Getränk und hustet. Silvanas Blick huscht zu mir zurück.
»Äh…«
»Ich muss sagen, es war schon ein bisschen außergewöhnlich, euch beide zusammen im Kino anzutreffen. Ich meine, du hast ja eigentlich einen ganz anderen Frauengeschmack, David.« Sie stiert mich so intensiv an, als besäße sie Röntgenaugen, mit denen sie das Geheimnis, das unter meiner Kleidung und dem Kopftuch steckt, lüften könnte. Meine Nerven sind zum Zerreißen gespannt. Zu meiner Erlösung könnte ich jetzt einfach das Kopftuch herunterreißen und rufen: »Ta-da. Ich bin’s! David hat eindeutig noch den gleichen Geschmack, was Frauen angeht.«
Aber ich bin ein feiges Huhn. Ich nippe an meinem Wasser und versuche dabei krampfhaft, meine zittrigen Hände unter Kontrolle zu bringen.
Davids Husten hat sich gelegt.
»Wir hatten ein Date«, sagt er, ohne mit der Wimper zu zucken. »Ist das so ungewöhnlich?«
›Oh ja, allerdings!‹, schießt mir durch den Kopf.
Silvana wirkt indigniert und versucht mich nochmals zu durchleuchten. Ich spüre, sie zweifelt daran, dass es sich bei mir tatsächlich um eine gläubige Muslimin mit Migrationshintergrund handelt.
Ich schiele auf Davids Armbanduhr (hab mir blöderweise immer noch keine zugelegt) und reiße meine Augen dramatisch weit auf. »O mein Gott…äh, ich meine…Allah! Ist das spät!« Ich springe vom Stuhl. »Meine Familie hat bestimmt schon eine Fahndung nach mir eigeleitet. Die flippen aus, wenn ich nicht bald nach Hause komme!«
David schnellt von seinem Sitzplatz hoch und wirft einen Geldschein neben seine Espressotasse. »Dann aber nichts wie los«, sagt er mit sorgenvollem Gesichtsausdruck. Er entschuldigt sich bei
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