Geliebte Nanny
Wochenende gepackt habe, verlasse ich meine Suite. Auf dem Weg zur Haustür entdecke ich Klodia im Esszimmer. Ich schleiche mich lautlos vorbei und erhasche einen Blick. Sie sitzt am Tisch und blättert in einer Lektüre, auf dessen Cover zwei Kleinkinder in einem Sandkasten abgebildet sind und ein Erwachsener sich zu ihnen hinunterbeugt. Hm, das sieht mir verdächtig nach einem Elternratgeber aus.
David wartet in seinem Auto auf mich. Na dann, auf ins Kino. Es läuft Freunde mit gewissen Vorzügen . Aber wie sich herausstellt, ist David kein besonders großer Justin Timberlake - Fan. Da hat er ausnahmsweise etwas mit Sören gemeinsam. Aber David gibt sich wesentlich toleranter. Mit einer Riesentüte Popcorn und zwei XXL - Bechern Cola kommt er strahlend auf mich zu. Der Film beginnt in einer Viertelstunde. Ich erwäge es, noch einmal die Toilette aufzusuchen. Bei der Menge Cola, die David da anschleppt, wird meine Blase mit Sicherheit an ihre gesetzmäßigen Grenzen stoßen. Das Kino ist gut besucht. Ich bahne mir einen Weg durch die Kinobesucher und ernte eine äußerst unfeine Verbalattacke, als ich ein Mädel in »bauchfrei«, welches den Weg zur Toilettentür partout nicht freigibt, sanft zur Seite schiebe.
»Moment mal eben, Ulli«, sagt Miss Bauchfrei zu ihrem Handy, das an ihrer rechten Gesichtshälfte klebt. »Hier hat mich gerade so ’ne Kanaken - Tussi angerempelt. Der Ollen werd’ ich jetzt erstmal ’nen Einlauf verpassen! Bis gleich.« Sie stopft das Handy in ihre geschmacklose Handtasche.
»Ey, hastu Problem, oder was?«, faucht die wutentbrannte Teenagerin und bäumt sich angriffslustig vor mir auf. Dabei hüpft ihre schwabbelige Bauchdecke auf und ab. Uaah …und als wäre das nicht schon unästhetisch genug, baumelt zudem noch ein kitschiges Bauchnabel - Piercing in dem ganzen Speck.
»Nein, du vielleicht?«, gebe ich schnippisch zurück und will zügig an ihr vorbeigehen. Doch sie stellt sich breitbeinig vor mich, die Hände in ihre Hüftpolster gestemmt, die über ihren knallengen Jeans - Hotpants hervorquellen.
»Auch noch frech werden, oder was?«
»Jetzt lass mich endlich durch. Ich muss auf’s Klo«, gebe ich ihr im autonomen Ton zu verstehen und schiebe sie grob zur Seite. Schnell verschwinde ich durch die Tür in den Toilettenvorraum. Das Mädchen folgt mir zum Glück nicht. Nachdem ich meine Blase ausgiebig entleert und meine Hände gewaschen habe, werfe ich einen Blick in den Spiegel. Ich ziehe das Kopftuch weiter über Hals und Schultern, damit der Ausschnitt meiner Bluse nicht zu sehen ist. Perfekt und sittsam, wie es sein muss. Ich drehe mich zum Gehen um, da steht überraschend das pausbackige Mädel von gerade vor mir, in Begleitung einer zweiten Teenagerin und legt sofort los: »Ey Kopftuch, was bildest du dir ein, mich zu schubsen? Pass ma’ auf, du entschuldigst dich gefälligst bei mir.« Die andere kommt provokativen Schrittes auf mich zu und guckt mich von oben herab an.
Herrgott, lasse ich mich hier etwa gerade von zwei Sechzehnjährigen fertig machen? Was bin ich für ein Feigling?
Nicht mit mir Mädels!
Mit einem Ruck ziehe ich mir das Kopftuch von Kopf und Schultern, stemme meine Fäuste ebenfalls in die Hüften und biete ihnen meine Verärgerung zum Besten dar: »Jetzt passt ihr mal auf, ihr geistesarmen halben Hühnchen…!« Die beiden glotzen mich erschrocken an. »Wenn ihr mich nicht auf der Stelle in Ruhe lasst und mich weiter bei meinem Toilettengang belästigt, dann könnt ihr was erleben. Dann hol’ isch meine Brrrüder, verstanden!« Immerhin hat das schon mal gewirkt.
Die Mädchen wissen anscheinend nicht genau, was sie sagen sollen. Sie mustern mich skeptisch. »Ach und übrigens…«, setze ich energisch nach, »…ich bin weder eine Kanaken - Tussi noch sonst was. Ich bin ein Mensch!« Seelenruhig lege ich mir mein Kopftuch auf meine Haare, schiebe es in die richtige Position und binde es im Nacken zusammen. Diese Handgriffe beherrsche ich mittlerweile sogar im Schlaf. Ich schaue mich noch einmal im Spiegel an.
»Und was soll dann diese Verkleidung«, fragt das Bauchnabel - Piercing - Hängebauch - Mädchen.
»Aus beruflichen Gründen. Ist eine lange Geschichte, die ich euch jetzt leider nicht erzählen kann. Mein Film fängt gleich an. Ich muss los!«
Fluchtartig verlasse ich den Toilettenwaschraum und sprinte in Richtung Vorführsaal. Vor dem Eingang wartet David auf mich. Er redet gerade mit einem Pärchen, als ich mich
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