Geliebte Nanny
er hatte wahnsinnigen Durst.
Was mache ich hier eigentlich? Ich könnte jetzt zu Hause friedlich vor mich hinschlummern – ohne diese blöden Alpträume. Und ohne ein krankes Kleinkind neben mir, das nicht einmal mein eigenes ist.
Ich bin frustriert. Das hat man nun davon, wenn man sich in die Angelegenheiten anderer Leute einmischt. Und wenn in China ein Sack Reis umfällt…wen interessiert’s?
Aber nein, Melissa Bogner – der selbsternannte Engel – muss eine stinkreiche Aristokratin über die korrekten Eigenschaften eines Mutterherzens belehren. Vielleicht sollte ich auch gleich noch bei der UNO anrufen, um den Weltfrieden einzufordern. Wie anmaßend von mir zu glauben, ich könnte die Welt verbessern. Ich bin gescheitert, aber so was von!
Vier Uhr. Es wird bald hell draußen. Ich schlage mein Kissen zurecht, da höre ich plötzlich etwas. Mein Blick huscht in Geralds Richtung. Aber der schläft seelenruhig und nuckelt an seinem Schnuller, der die Aufschrift I MAMA trägt.
Da, schon wieder. Dasselbe Geräusch. Es kommt aus dem Korridor und es hört sich an wie Schritte. Sie werden lauter. Und dann, ganz plötzlich nichts mehr. Ich halte den Atem an und verkrieche mich unter meiner provisorischen Bettdecke. Es scharrt in unmittelbarer Nähe der Zimmertür. Im nächsten Moment dringt ein schmaler Lichtstrahl herein. Eilig schließe ich meine Augen und stelle mich schlafend.
Erneut nehme ich leise Schritte wahr und dann einen Luftzug. Mein Herz explodiert jeden Augenblick. Ich blinzele so unbemerkt wie ich nur kann. Neben mir erkenne ich eine Silhouette, die sich langsam über Geralds Gitterbett beugt.
›Hilfe, ein Kidnapper!‹ , ist mein erster Gedanke. Ich will gerade schreiend aufspringen und mir irgendein furchteinflößendes Spielzeug zur Verteidigung greifen (vielleicht den überdimensionalen Gummi - Spongebob, damit könnte ich den Eindringling mit Sicherheit k.o. schlagen), da erkenne ich sie .
KLODIA!
Sie streckt ihren Arm nach Gerald aus und streichelt seine Wange. Dann seinen Kopf. Ich reibe mir die Augen und reiße sie so weit auf wie ich kann. Eine Sinnestäuschung?
Minuten lang streichelt Klodia ihren Sohn. Dann richtet sie sich auf. Meine Augen fallen zu und ich täusche besonders tiefe und lange Atemzüge vor. Am liebsten würde ich auch noch schnarchen, um es echter wirken zu lassen. Aber dann müsste ich wahrscheinlich anfangen zu lachen. Jedenfalls ist mir das als Kind immer passiert, wenn ich versuchte meine Eltern reinzulegen. Ich glaube, ein Lachanfall wäre gerade ziemlich unangebracht. Ich spüre Klodias Blick auf mir. Dann dringt der erlösende Klang ihrer Schritte an mein Ohr.
›Hurra, ich lebe noch!‹, ist mein nächster Gedanke. Dennoch öffne ich meine Augen erst Minuten später, um ganz sicher zu gehen, dass sie weg ist. Ein erster zarter Sonnenstrahl dringt ins Kinderzimmer und hüllt Geralds blasses Gesicht in warmes Licht. Er schläft und er hat ein Lächeln auf den Lippen. Ich lege mich zurück ins Kissen und schließe meine Augen. Nur ein Atemzug, schon schlafe ich ein.
»Ach, du meinst diese arbeitslose Kindergärtnerin? Diesen blonden Feger, mit den Endlosbeinen?«
»Wach auf, du alte Schlafmütze!«, kichert Pauline. Ich sehe gerade noch, wie sie am Fußende der Matratze an meine Bettdecke greift. Hastig versuche ich mein Kopftuch, das mir in der Nacht verrutscht ist und nun auf meinen Schultern hängt, an seinen Platz zu zupfen. Doch da zerrt Pauline schon an der Decke. Der Windzug, den sie dabei heraufbeschwört, wirbelt meine Haare durch die Luft und der Knoten des Kopftuchs löst sich endgültig. Es sinkt auf’s Kopfkissen.
Pauline staunt Bauklötze: »Wow. Das sind deine Haare? Die sind ja viel schöner, als die von meiner Mama.«
Das will ich meinen.
»Pssst«, mache ich mit vorgehaltenem Zeigefinger. Dann nehme ich das Kopftuch vom Kissen und streiche es glatt. »Das hier bleibt unser kleines Geheimnis, okay«, flüstere ich. Sie nickt eifrig und streicht mir schnell noch einmal über’s Haar, bevor ich es mit einem Haargummi zusammenbinde und das Kopftuch aufsetze. Mit ein paar gezielten Handgriffen, bringe ich es in die richtige Position.
»Schade, warum musst du sie verstecken?«, schmollt Pauline.
Ich zwinkere ihr zu. »Wenn wir beide mal wieder ganz allein sind, dann lasse ich das Kopftuch weg. Einverstanden?«
»Einverstanden.«
Gerald, der in seinem Bettchen sitzt, versucht seinem Kuscheltier den I MAMA
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