Geliebte Nanny
nicht anders einrichten, bei unseren unzähligen Verpflichtungen.«
Aufmerksam halte ich ihrem Blick stand. Hört sich alles nicht schlecht an. Na gut, bis auf die Wochenendarbeit, aber solange man ordentlich dafür entlohnt wird, soll’s mir Recht sein.
»Der normale Stundensatz liegt bei 6,90 € Brutto, pro Stunde…«, eröffnet sie mir im nächsten Moment, als hätte sie meine Gedanken gelesen.
Wie bitte? Das soll wohl ein Scherz sein!?
Ich stehe hier im Büro einer Millionenerbin, in einer Millionenvilla, und diese sonderbare Wellness - Tante namens Klodia erzählt mir etwas von 6,90 € die Stunde... Brutto !? Das ist ja die reinste Ausbeutung.
»Äh…tja, eigentlich...«, zögere ich, noch immer fassungslos über das popelige Angebot.
Doch Klodia unterbricht unverzüglich meinen misslungenen Sprechversuch: »Wenn Sie aber meine angeforderten Bedingungen annehmen, Frau Bogner, dann verdienen Sie offiziell 6,90 €; erhalten aber einen Zuschuss von dreiundachtzig Euro Netto pro Tag, den Sie sozusagen einfach einstecken dürfen.«
Mein Mund steht weit offen.
»Sie wissen schon...steuerfrei und so«, ergänzt sie mit verschmitztem Lächeln, offensichtlich davon überzeugt, dass ihr unzweifelhaft krimineller Vorschlag Anklang bei mir findet.
Dreiundachtzig Euro? Schwarz? Bar auf die Hand?
Ich muss mich verhört haben. Worum zum Geier handelt es sich bloß bei ihren geforderten Bedingungen? Für die Kohle nehme ich fast alles in Kauf. Also beteuere ich in gekünstelt gefälligem Ton (nicht, dass sie es sich wieder anders überlegt): »Verehrteste gnädige Frau, Sie würden es mit Sicherheit nicht bereuen mich einzustellen. Ich habe wirklich einen sehr guten Draht zu Kindern, wissen Sie. Fast alle Kinder lieben mich. Und was Ihre Bedingungen betrifft…äh…die würde ich unter diesen Voraussetzungen selbstverständlich auch annehmen.« Ich habe ohnehin das Gefühl, dass ich in ihren Augen genau die Richtige für den Job bin. Wer weiß, was für Transusen sich vor mir für diese Stelle beworben haben?
»So, dann kommen wir also ins Geschäft?« Klodia lächelt zufrieden.
» Sehr gern«, sage ich heftig nickend. »Also, was sind das nun für Bedingungen, die Sie an mich stellen?«
»Wie gesagt, Frau Bogner. So wie Sie aussehen, kann ich Sie leider nicht als Kindermädchen einstellen. Mein Mann hat eine Schwäche für schlanke, langbeinige Blondinen mit Engelsgesicht. Aber ich hab nun wirklich keine Zeit, laufend neues Personal zu suchen, nur weil er ständig der weiblichen Belegschaft nachstellt.«
»Ich verstehe«, bekräftige ich ihre Aussage, ohne sie in Wirklichkeit zu verstehen.
»Daher empfehle ich Ihnen, sich ab jetzt ein wenig…hm, ich nenne es mal… normabweichender zu kleiden. Es muss ja nicht gleich eine Burka sein. Ein Kopftuch und keine körperbetonende Kleidung sollten reichen. Außerdem sollten Sie sich einen zweckdienlichen Namen zulegen. Zum Beispiel Semra oder Ayse. So können wir sicherstellen, dass unserer künftigen Zusammenarbeit nichts im Wege steht.«
»Pardon?«
Semra? Ayse? Normabweichende Kleidung?...
Ich bin verwirrt.
Sie will, dass ich mich züchtig verhülle und mir einen türkischen Namen zulege, damit ihr Ehemann Arndt (offensichtlich ein notorischer Fremdgeher), mir nicht nachstellt und ich ihn meinerseits nicht verführen kann?
Also, ganz ehrlich, die gute Frau hat ’ne Meise.
Sie kramt in einer Schublade und zieht eine Mappe heraus, die sie mir über den Schreibtisch reicht.
»Der Arbeitsvertrag«, fügt sie hinzu. »Dort stehen alle einzelnen Punkte noch einmal aufgelistet. Studieren Sie ihn zu Hause in Ruhe und wenn Sie damit einverstanden sind, können Sie ihn unterschrieben zurückbringen und auch sofort anfangen.«
Sie erhebt sich aus ihrem Bürosessel und schaut auf ihre pompöse Armbanduhr, die mindestens ein Kilo wiegt, so viele Brillis wie die hat.
»…schon wieder zu viel Zeit vertrödelt…«, nuschelt sie in sich hinein, während sie mich quasi aus ihrem Büro hinausschiebt.
»Überlegen Sie es sich, Frau Bogner«, redet sie mir ins Gewissen. »Auf Wiedersehen!«
Die Tür schlägt vor meiner Nase zu und ich stehe allein auf dem Flur. Doch der Butler ist schon im Anmarsch. Wortlos begleitet er mich zur Haustür. Als ich draußen auf dem Bürgersteig stehe, atme ich tief durch. Dann rufe ich mir per Handy ein Taxi.
Ich, Melissa Bogner soll ein muslimisches, kopftuchtragendes Kindermädchen werden? Ich lasse das
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