Geliebte Nanny
kuriose Vorstellungsgespräch noch einmal vor meinem inneren Auge Revue passieren. Wer hätte vorher ahnen können, dass ich es mit einer Verrückten zu tun haben würde?! Höchstwahrscheinlich hat das Gehirn dieser Frau einen irreparablen Schaden genommen, bei ihren Endlossitzungen, in der hauseigenen Klappkaribik.
Während der Fahrt schaue ich mir den Arbeitsvertrag genau an. Immer wieder fällt mein Blick auf diese sagenhaften dreiundachtzig Euro extra, welche in einer kleingedruckten Zeile, ganz am Ende des Vertrages, erwähnt werden.
Wie dem auch sei, ich werde keine voreiligen Entscheidungen treffen. Was soll schon dabei sein, diese Stelle anzunehmen? Als gebürtige Rheinländerin, bin ich Verkleidungen grundsätzlich nicht abgeneigt. Ich war sogar mal Mitglied im Karnevalsverein. Unter Umständen erweist sich das Arbeiten in dieser Maskerade sogar als angenehm. Im Endeffekt wäre ich nämlich nicht ständig unliebsamen, wollüstigen Männerblicken (in diesen Fall denen des Hausherren) ausgesetzt, wie so oft. Wie gesagt, auf Dauer nervt das ganz schön.
»Wie soll ich bitte meinem zwanghaften und kategorischen Kombinieren von Kleidungsstücken nachkommen, ohne dabei als Amokläuferin zu enden?«
Noch während der Heimfahrt berichte ich Yasemin per SMS von dem Bewerbungsgespräch. Um die Mittagszeit empfange ich eine Rückantwort. Wir verabreden uns in unserem Stammcafé. Bis dahin habe ich noch eine knappe Stunde Zeit, deswegen mache ich es mir auf dem Sofa gemütlich und lege die Beine hoch.
Keine zwei Sekunden später klingelt das Telefon.
Es ist Sören.
»Was willst du?«, frage ich borstig.
»Mel...ich ähm…ich…«, stammelt er. »Ich vermiss’ dich. Ohne Witz. Ich dachte, du würdest dich melden.« Er klingt tatsächlich ein bisschen wehmütig. Tja, jetzt weiß er wie so was ist.
»Wieso sollte ich? Wir haben Schluss gemacht, schon vergessen?«
»Aber du fehlst mir, Hasi«, beteuert er weiter.
Ich fehle ihm? Na so was.
»Wo denn bitte schön? Etwa auf dem Beifahrersitz?«, will ich wissen und grabe derweil in meinem geistigen Repertoire nach etwas Zynischem, das ich ihn an den Kopf werfen kann: »Ich dachte, da säße längst ein neues Hasi .«
Für einen Moment herrscht Schweigen in der Leitung. Bei Sören dauert es in der Regel länger als bei Durchschnittsintelligenten, bevor es klick macht. Dann versucht er es mit einer neuen Taktik. Mit Niveau (kaum zu glauben).
»Ich wollte mal hören, wie es dir so geht, ohne mich und ohne Arbeit.«
»Fantastisch, danke der Nachfrage«, erwidere ich kühn. »Mir geht’s super. Außerdem habe ich schon eine neue Arbeitsstelle.« Das heißt, so gut wie. »Und stell dir vor, da verdiene ich sogar mehr als das Doppelte.«
Es geht ihn an und für sich nichts an, doch es bereitet mir innerlich Vergnügen ihm klarzumachen, dass ich wunderbar ohne ihn zurechtkomme und durchaus erfolgreich bin.
»Aha«, sagt er nüchtern. »Ich wollte noch einige Sachen von mir abholen. Den DVD - Player und den Scanner.«
Ich hör’ wohl nicht richtig.
»Die Sachen gehören mir.« Allmählich steigt meine Angriffslust. » Du hast sie ausgesucht, aber ich hab sie bezahlt.«
»Wozu brauchst du denn bitte den Scanner, Melissa? Du hast in deinem ganzen Leben noch nie etwas gescannt. Außerdem besitzt du keine einzige DVD. Der DVD Player ist dir also vollkommen nutzlos.«
Wo er Recht hat, hat er Recht. Ist mir aber egal. Schließlich geht’s hier ums Prinzip.
»Hör zu. Ich werde demnächst so viel Kohle verdienen, dass ich mir so viele DVDs kaufen kann, wie ich will. Was sagst du dazu?« Ich höre ihn schwer atmen. Doch noch bevor er Einwände erheben kann, sage ich, nicht ohne ein wenig Sarkasmus mit einfließen zu lassen: »Und irgendwas zum Scannen werde ich mit Sicherheit auch noch finden. Damit wäre die Sache dann wohl geklärt.«
»Ach leck’ mich doch am Arsch.« Sein Standardspruch. Jetzt bin ich wirklich stinkig.
»Das einzige, was du bei mir abholen kannst, sind deine muffigen Socken und der Rest deiner schmutzigen Wäsche«, keife ich. Ärgerlich drücke ich ihn weg und pfeffere das Mobiltelefon in meinen Sessel – ein Ungetüm mit moosgrünem Cordbezug, das ich mir mal aus einer unerklärlichen Laune heraus, in einem TV - Shop bestellt habe. Wahrscheinlich weil das Fernsehprogramm an dem Abend so grottenschlecht war. Von mir aus kann Sören den Sessel auch gleich mitnehmen. Dieses grauenhafte Teil passt sich ebenso wenig
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