Geliebte Nanny
in Sachen Modegeschmack der gehobenen Klasse in nichts nachsteht.
»Pauline, das ist Melek, eure neue Nanny«, klärt Klodia ihre Tochter auf. »Sie bringt dich jetzt in den Kindergarten. Also sei brav.«
Ich werde von skeptisch wirkenden blauen Augen beäugt. Die Kleine zieht eine trotzige Grimasse und wendet sich augenblicklich wieder ihrer Mutter zu.
»Die will ich aber nicht Mama! Die sieht komisch aus«, mault sie.
Klodia belächelt die ungalante Reklamation ihrer Tochter und schiebt sie in meine Richtung. Pauline stemmt sich jedoch dagegen.
»Aber Mama. Sophies Nanny ist viel schöner, die sieht nämlich fast so aus wie Barbie. So eine will ich auch!« Sie stampft auf den Fußboden. Auffällig temperamentvoll, das Kind. Von wem sie das wohl hat?
»Jetzt red’ keinen Unsinn, Pauline«, zischt Klodia.
Sie drückt mir eine gedruckte Wegbeschreibung zum Kindergarten in die Hand, dann schaut sie zum wiederholten Mal auf ihre Uhr. Ihr anschließender Gesichtsausdruck lässt durchblicken, dass sie es furchtbar eilig hat. Das Letzte was sie jetzt gebrauchen kann, sind sicherlich infantile Diskussionen am frühen Morgen, wo vermutlich wichtige Termine auf sie warten.
»Ich muss los«, meint sie schließlich und rauscht davon.
»Na dann, Kinder, auf geht’s«, sage ich tatkräftig und ergreife Paulines kleine Hand. Doch die zeigt sich schätzungsweise so unkooperativ wie ein arbeitsloser Ex - Bankmanager, dem man versucht, einen 1 - Euro - Job als Spargelstecher anzudrehen.
Ich schiebe also zuerst den Kinderwagen nach draußen und stelle ihn dort ab. Gerald schlummert mittlerweile im Land der Träume. Dann gehe ich zurück in die Eingangshalle, um Pauline abzuholen.
»Kommst du Pauline?«, frage ich freundlich und strecke ihr meine Hand entgegen.
»Nein!«, protestiert sie. Ihr eigenwilliger Klang, erinnert mich ganz und gar an Klodia.
»Du musst aber in den Kindergarten«, rede ich eifrig auf sie ein.
»Nicht ohne George, Gina und Lucy«, bekomme ich stattdessen zur Antwort.
»Wer bitte?« Ich bin mir ziemlich sicher, Klodia hat es mit keinem Wort erwähnt, unterwegs noch ein paar von Paulines Freunden abzuholen.
Ich überlege einen Moment.
»Sind das deine Puppen?«, frage ich schließlich.
Pauline blickt mich überheblich an.
»Du bist ja dumm«, spottet sie.
So langsam reizt mich dieser aufmüpfige kleine Giftzwerg. Es wird Zeit, eine kräftigere Tonlage aus den Tiefen meiner umfassenden Stimmbandbreite an den Tag zu legen. Nicht mit mir, kleines Fräulein!
»Also was ist nun, gehen wir?«
»Erst wenn du sie holst.«
» Weeen denn um Himmels Willen?« Ich muss mich beherrschen. In diesem aus Marmor und Stein bestehenden Foyer, ist der Hall ja geradezu enorm. Einschüchtern will ich das Kind ja nun nicht.
»Na meine George, Gina und Lucy Tasche. Ohne die gehe ich nirgendwo hin.« Mit verschränkten Armen steht sie vor mir und funkelt mich trotzig an.
Das ist nicht ihr Ernst!?
Diese verzogene kleine Göre macht hier so einen Aufstand, wegen einer dämlichen Handtasche? Im Nachhinein fällt mir auch wieder ein, dass es sich bei »George, Gina und Lucy« um ein geschätztes Designerlabel handelt. Nur habe ich , als Normalsterbliche, bisher weder das luxuriöse Vergnügen mit Lucy noch mit Gina und schon gar nicht mit George gehabt. Wirklich Schade!
Pauline sprintet die Treppe hinauf. Nach wenigen Augenblicken taucht sie wieder auf – die knallvioletten Henkel einer extraordinären Nylontasche in Kaugummi - Blau umklammernd. Ich muss schon sagen, für eine Sechsjährige hat sie einen ziemlich exzentrischen Geschmack.
Endlich gehen wir los. Der Weg führt uns einmal quer durch die Villensiedlung. Nach einer viertel Stunde stehen wir vor einem imposanten, pastellgelben Neubau mit blankgeputzter Glasfassade, inmitten einer gepflegten Grünfläche, der einiges gekostet haben muss.
Dies ist also der Kindergarten Goldlöckchen . Genau der richtige Name für eine Einrichtung, die ausschließlich von den Sprösslingen der High Society besucht wird.
Ich steuere mit dem Buggy auf den Eingang zu. Plötzlich rauscht ein silberner Sportflitzer, mit atemberaubender Geschwindigkeit auf uns zu. Durch meinen Instinkt geleitet, schwinge ich mich deckend vor den Kinderwagen. In letzter Sekunde kommt das Fahrzeug, keinen halben Meter von meinen Füßen entfernt, zum Halten. Leichenstarr vor Schreck, umschließe ich fest die Hand der kleinen Pauline. Erst durch ihren
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