Geliebte Nanny
Gesamtbild der Gruppe heraussticht.
Giulia behandelt mich weiterhin, als wäre ich Luft. Sie verteilt Kartonpapier und lässt mich dabei einfach aus. Ich koche vor Wut. Sarita scheint dies zu bemerken. Verstohlen schiebt sie mir ein Blatt zu. Dankbar blicke ich in ihre dunklen Mandelaugen. Sie widmet mir ein herzliches Lächeln und konzentriert sich wieder auf ihre Malerei. Ich bin froh, als das Bild, das ich mit Gerald gemalt habe, fertig ist. Jetzt kann ich endlich gehen, denke ich erleichtert. Ich räume den Malkittel und die Farben weg und will Gerald gerade die Jacke anziehen, da sagt Dörte zu mir: »Jetzt folgt unser gemeinsamer Stuhlkreis mit den Kindern. Außerdem singen und beten wir regelmäßig.«
Auch das noch.
Ich nehme mit Gerald Platz im Stuhlkreis. Giulia sitzt mir direkt gegenüber und guckt fies. Ich hasse sie.
Dörte spielt ein mir wohlbekanntes Kinderlied auf einer Gitarre. Ich tue natürlich so, als hätte ich es noch nie gehört und singe nicht mit; was daraufhin – dank Giulias vehementer Beanstandung – unter gar keinen Umständen von der Gruppe toleriert wird. Giulia schiebt mir mit schadenfroher Miene ein Liederbuch zu.
»Wenn du weiterhin hier mitmachen willst, Melek, dann musst du unbedingt all unsere Lieder auswendig lernen. Genau wie die Gebete.«
Hätte ich dieser Frau das »Du « angeboten, würde ich mich mit Sicherheit daran erinnern.
»Damit habe ich überhaupt kein Problem, Giulia«, offenbare ich großkotzig, was ja auch die Wahrheit ist. Immerhin war ich jahrelang Kindererzieherin in einer katholischen Tagesstätte. Ich kenne fast alle Lieder und Gebete auswendig. Das muss ich der dämlichen Schnepfe aber nicht auf die Nase binden. Sie wird schon sehen, wie schnell ich lerne.
»Wir sind immerhin eine christliche Initiative«, fügt Giulia belehrend hinzu.
»Auch kein Problem für mich!« Wobei ich persönlich ja immer mehr zum Atheismus tendiere.
»Ich dachte ja nur…«, windet Giulia sich heraus. »Ihr Moslems seid ja nicht gerade tolerant.«
»Was man auch nicht gerade von eurer christlichen Initiative behaupten kann«, murmle ich finster. Innerlich brodelt es. Giulia wird kreidebleich. Herrje, müssen die mir jetzt alle solche empörten Blicke zuwerfen!?
Dieser Club ist an Impertinenz ja kaum zu überbieten. Sarita, die Asiatin, versucht zu schlichten.
»Hört dok auf ssu sstreiten. Es ssind sließlik Kinder hier«, sagt sie mit feiner Stimme und diesem typischen Akzent, dem man heutzutage gar nicht mehr so selten begegnet, beispielsweise beim alljährlichen Weihnachtsessen beim Chinamann. Oder bei der Nagelmaniküre. »Melek hat dok gessagt, dass ssie keine Problem hat. Dann ist dok alles okay.«
Sarita wirft mir ein unmerkliches Augenzwinkern zu.
Den Rest des Vormittags singen und klatschen wir friedlich weiter. Allerdings sind die Schwingungen zwischen Giulia und mir alles andere als friedlich.
Um halb zwölf ist es geschafft. Endlich raus, aus diesem Verein garstiger Etepetete - Muttis. Gerald gähnt schon wieder. Ich laufe schnurstracks zurück zur von Degenhausen - Villa.
Ein schwarzer Porsche parkt vor dem weißen Garagentor. Mit einer Hand schirme ich meine Augen vor der blendenden Mittagssonne ab. Kurz darauf steigt ein Mann aus. Ich blinzle, um ihn besser erkennen zu können. Aha, so ein Businesstyp. Anfang vierzig, adrette Frisur, nicht unattraktiv. Das muss Arndt sein. Einen Augenblick später erscheint auch Klodia.
Arndt betrachtet mich neugierig und gleichzeitig skeptisch, als ich mich ihm nähere.
»Merhaba«, begrüße ich ihn, um möglichst überzeugend in meiner Rolle rüberzukommen.
»So, so…Sie sind also Melek«, sagt er feststellend.
Ich nicke und strecke ihm die Hand zur Begrüßung entgegen. Er zögert. Dann schüttelt er sie für den Bruchteil einer Sekunde, bevor er sie fallen lässt, als hätte er sich daran verbrannt, wie an einer heißen Scheibe Toast, die gerade aus dem Toaster gesprungen ist. Verlegen starrt er auf den weißen Kiesweg. Also, wie ein Casanova kommt mir Arndt keineswegs vor. Auf mich wirkt er eher schüchtern, was aber daran liegen könnte, dass ich in dieser Aufmachung nicht gerade in Arndts Beuteschema passe. Ja, genau, das wird es sein. Dann läuft ja alles exakt nach Klodias Plan.
Klodia strahlt mich mit ihrem tadellos gebleachtem Gebiss an, als stünde sie auf dem roten Teppich, vor einer Horde Fotografen.
»Ich hoffe, Sie hatten einen schönen Vormittag,
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