Geliebte Nanny
Knien reicht. Keine langen Röcke oder Strickmäntel, die fast den Boden berühren und jeglichen Fetzen Haut, bis auf Gesicht und Hände verdecken. Seinem verdutzten Gesichtsausdruck nach zu urteilen, ist ihm meine ungewohnt spärliche Aufmachung auch schon aufgefallen.
Sein Blick bleibt auf meinen nackten Beinen haften. Warum starrt er denn so? Immerhin sind meine Beine so glatt, wie die einer Göttin, dank Venus Vibrance . Übrigens eine göttliche Erfindung, die ich im Sommer stets griffbereit habe. Was hat er denn erwartet – schwarzen Pelz? Bin ich eine Neandertalerin oder was?
Schamhaft kreuze ich meine definitiv haarlosen Beine.
»Tja dann...nehme ich mir mal was zu trinken«, sage ich unsicher und greife zum Glas, das leider schon leer ist.
»Tun Sie sich keinen Zwang an, Mel.« Er tritt neben mich. »Darf ich mal?« Dann greift er über mich hinweg zu einem Küchenoberschrank, holt ein zweites Glas heraus und schenkt uns beiden Cola ein.
Er prostet mir zu und sein Blick verweilt für einen Moment auf mir. Ich proste ihm ebenfalls zu und trinke hastig.
Es entgeht mir nicht, dass David hin und wieder einen unauffälligen Blick auf meine bescheiden bekleidete Gesamterscheinung erhascht. Viel zu spät realisiere ich, dass auch ich ihn unentwegt anstarre.
»Ich hätte mir was überziehen sollen, stimmt’s?«, fragt er halbwegs belustigt. Anscheinend legt er mein Starren als Entsetzen, über seinen halbnackten Körper aus. Vor Schreck verschlucke ich mich an meinem Getränk und pruste so heftig, dass mir die ganze Flüssigkeit an den Mundwinkeln herunter tropft.
»Na ja, ich konnte ja nicht wissen, dass hier noch jemand ist.« David lehnt sich gekonnt lässig an die Küchenarbeitsplatte.
»Sie haben letztens wirklich wunderbar Klavier gespielt«, weiche ich mit hochrotem Kopf aus. Irgendetwas muss ich ja sagen.
»Finden Sie?«
Ich nicke und fixiere rasch das leere Glas in meiner Hand. Nicht, dass ich wieder unbewusst anfange, ihn anzuglotzen.
»Und Sie Melek, haben Sie noch andere Beschäftigungen, außer Kopftücher besticken und die Kinder meiner Schwester zu hüten? Was Sie übrigens bemerkenswert gut machen.«
Seine unerwartete Belobigung lässt mich noch röter anlaufen, wenn das überhaupt möglich ist.
»Finden Sie?«, frage ich diesmal.
Er nickt. »Wenn ich da an Klood denke. Du meine Güte, die hat mit ihren eigenen Kindern nichts am Hut.«
Aha, das hat er also auch schon erkannt.
»Das muss an ihrer materiellen Gesinnung liegen...«, philosophiert er weiter. »Luxusartikel oder die allwöchentliche Soirée zieht meine Schwester schmutzigen Windeln vor. Sie dagegen sind jemand dem die Familie mehr bedeutet. Hab ich Recht? Und ich wette, Sie werden später eine hingebungsvolle Mutter.«
»Mhmm.« Ich zucke unschlüssig mit den Achseln. Er hat ja nicht Unrecht. Allmählich meldet sich meine vornehme Blässe wieder zurück. David holt kurz Luft und plaudert dann munter weiter aus dem Nähkästchen. Und ich bin völlig verwundert darüber, dass er ein derart ausgeprägtes Redebedürfnis besitzt. Sören hat nie mehr, als das Nötigste von sich gegeben, wie beispielsweise › Komm mach’ dich endlich nackig‹ oder ›Was gibt’s zum Essen?‹ Es sei denn es ging um einen neuen Kompressor oder sonstigen Schwachsinn für seinen BMW. Da konnte er plötzlich stundenlang um den heißen Brei herum reden.
»Wissen Sie, was mir gerade aufgefallen ist, Melek?«
Mir stockt der Atem und ich fixiere ihn mit tellergroßen Augen.
»W…w…was denn?«
»Ich persönlich kenne überhaupt keine Frauen wie Sie, Melek. Bisher habe ich nur total selbstgefällige Frauen kennengelernt. Solche wie Claudia, die den Hals nicht voll kriegen.« Nachdenklich nimmt David einen Schluck aus seinem Glas. »Im Grunde ist es immer das Gleiche, mit dieser Art Frauen. Sie sehen unheimlich gut aus und sind der Ansicht, die Welt läge ihnen zu Füßen. Dabei können sich viele nicht mal anständig artikulieren, trinken zu viel Alkohol oder sind fürchterlich eingebildet.« Er legt die Stirn mürrisch in Falten und presst die Lippen fest aufeinander, sodass sie ganz blass werden. »Gerade letztes Wochenende habe ich wieder so eine Tussi kennengelernt. Das war vielleicht eine arrogante Kuh!« Seine Worte klingen verächtlich.
Blitzartig entschwindet nun auch die letzte Röte aus meinem Gesicht. Redet er da etwa gerade von mir?
»Diese Frau war außergewöhnlich hübsch, und sie war mir schon
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