Geliebter der Nacht
er ab, wie der Vampir reagieren würde.
»Das würde einiges erklären«, sagte Ricco schließlich zu Darius’ Überraschung. »Zufällig weiß ich, dass die Vlads einen neuen Anführer haben«, fuhr er fort. »Der alte, O’Rourke, treibt sich noch in der Gegend herum, nimmt aber offensichtlich Befehle von jemand anders entgegen. Mir kommt das schon eine ganze Weile merkwürdig vor. Normalerweise übernimmt ein neuer Anführer, indem er den vorherigen umbringt. Ein Dämon hingegen, der die Weltherrschaft anstrebt, wird ein Interesse daran haben, die örtlichen Anführer auf ihren Posten zu lassen und sie von oben zu dirigieren.«
»Und wie kommt’s, dass der Dämon dich nicht angesprochen hat?«, fragte Darius misstrauisch.
»Wer sagt, dass er es nicht getan hat?« Auf Darius’ verwunderten Blick hin nickte Ricco. »Ja, der Typ ist bei mir aufgekreuzt, aber ich war nicht unbedingt angetan von der Vorstellung, für einen Dämon zu arbeiten, und wenn er mir noch so viel als Gegenleistung verspricht. Er bot mir an, meine Position zu behalten, allerdings unter seiner Weisung zu stehen. Im Gegenzug sollte ich mehr Macht und Vermögen bekommen, als ich mir vorstellen kann. Wie er sagte, plant er, New York City in eine reine Vampirstadt zu verwandeln. Erst dachte ich, er würde scherzen. Ich wies ihn darauf hin, dass nicht jeder ein Vampir werden wolle, und selbst wenn, wie wollte er sie alle ernähren? Darüber sollte ich mir keine Gedanken machen, meinte er, aber es ist mein Job, mir über solche Dinge Gedanken zu machen. Wie dem auch sei, ich lehnte dankend ab, und, um ehrlich zu sein, ich war froh, als er abschwirrte und mich in Ruhe ließ.«
»Wie lange ist das her?«
»Gut vier Monate.«
»Und seither verschwinden Mitglieder deiner Gang«, folgerte Darius.
»Stimmt.«
»Hat dieser Dämon dir seinen Namen verraten?«, fragte Darius.
»Klar. Er nannte sich Amadja.«
Amadja.
Der Name stammte aus der Vergangenheit. Ein Sohn Apeps, des Schlangengottes. Darius war erst vor fünfhundert Jahren gegen ihn angetreten, als Amadja sich erdreistete, Sekhmet anzugreifen. Sie fochten eine harte, erbitterte Schlacht aus, an deren Ende Darius ihn jedoch unterwarf. Leider war Amadja nicht gestorben, sondern einfach verschwunden.
Als Ricco und er am Ende des Blocks ankamen, zeigte Ricco nach rechts.
»Du hast wahrscheinlich nie einen großen rothaarigen Mann bei Amadja gesehen, oder?«, fragte Darius.
Ricco musste nicht einmal nachdenken. »Nein. Er kam immer allein. Zu der Zeit fand ich es reichlich kühn von ihm, sich in meinem Club zu zeigen und Forderungen zu stellen, ohne Verstärkung dabeizuhaben. Aber nach dem, was du mir erzählt hast, brauchte er wohl keine.«
Darius pflichtete ihm bei. »Du hattest Schwein, dass er noch eine andere Gang in der Stadt kannte, die er sich krallen konnte. Ich schätze mal, er hat sich ausgerechnet, dass, wenn die anderen an Macht gewinnen, deine Gang über kurz oder lang schlappmachen – oder vernichtet wird.«
»Wow, ja! Was für ein aufmunternder Gedanke! Wechseln wir das Thema! Weißt du schon, wo du heute Nacht schläfst?«
Darius überlegte, zu Lexi zu gehen, aber er hatte das unbestimmte Gefühl, dass er dort nicht willkommen wäre. »Nein.«
»Dann darfst du gern in meinem Club bleiben. Wir sind fast da.«
Angesichts der Alternativen, die sich Darius boten, nickte er und sagte: »Danke, ich nehme die Einladung an.«
O’Rourke hätte sich lieber die Füße abgeschnitten, als auf diesem Polizeirevier herumzuhocken und darauf zu warten, dass der dämliche Kobold auf Kaution freikam. Botengänge wie dieser waren unter seiner Würde, denn als Anführer der Vlads sollte er überhaupt gar keine übernehmen müssen. Als Anführer der Vlads …
Seine Gedanken schweiften ab. Seit Amadja vor fast vier Monaten aufgetaucht war, hatte O’Rourke eigentlich nichts und niemanden mehr angeführt. Genaugenommen war der Dämon hereinmarschiert, hatte den Club übernommen und O’Rourkes Gang gleich mit.
Nicht dass er nicht versucht hätte, irgendwie die Oberhand zu behalten, aber Amadja war sehr, nun ja, überzeugend gewesen, als er O’Rourke allein zu packen bekam.
Die Tür in den Warteraum ging auf und riss O’Rourke jäh aus seinen Gedanken. Er sah hinüber auf die winzige Gestalt von Paddy Darby, der herauskam. Er wirkte müde und abgekämpft und hatte eine Schnittwunde über dem Auge.
»Wird auch Zeit!«, quäkte Paddy, kaum dass er O’Rourke erkannt hatte.
»Hüte
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