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Geliebter Lord

Geliebter Lord

Titel: Geliebter Lord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Ranney
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menschliche Natur kennenzulernen«, hatte Elspeth eines Tages argumentiert, als Mary ihr gestand, dass sie gerne reisen würde. »Du weißt schon alles, was du wissen musst. Ich glaube, die Menschen sind überall gleich. Meinst du nicht auch?«
    »Möchtest du denn nie andere Orte sehen, andere Menschen treffen?«, hatte Mary gefragt.
    Elspeth schüttelte heftig den Kopf. »Warum sollte ich? Alles, was ich brauche, bekomme ich hier in Inverness – Spitzen, Leinen, Wolle, Porzellan, Silber und alle erdenklichen Güter aus London oder sogar vom Kontinent. Oder von der British East India Company. – Sogar aus dem Orient«, hatte sie im Gedanken an die wunderschöne blau-silberne Schale hinzugefügt, die ihre Mutter für sie beiseitegetan hatte.
    Sobald sie verheiratet wäre, würde ihre Bewegungsfreiheit noch mehr beschnitten werden, doch das war keine Beschränkung, gegen die sie aufbegehrte. Sicher, gelegentlich empfand sie es als lästig, von ihrer Mutter und ihren Schwestern behütet zu werden, aber sie sehnte sich nicht nach der großen Freiheit, die Mary vorzuschweben schien.
    Plötzlich wurde ihr bewusst, dass es merklich stiller geworden war. Ein Blick zeigte ihr, das Mr. Marshall seine Rede beendet hatte und von dankbaren Zuhörern umringt war.
    Sie sah sich nach Jack um und entdeckte ihn im Gespräch mit einem Gleichaltrigen. Sie nickte ihrem Bruder auffordernd zu. Er antwortete mit einem Stirnrunzeln. Seine Widerspenstigkeit war ihr ebenso vertraut wie die Anbetung, die er seitens der Eltern erfuhr. Als das einzig männliche von acht Kindern wurde er schrecklich verwöhnt. Aber er konnte sehr charmant sein, wenn er wollte, und Elspeth musste immer wieder feststellen, dass auch sie nicht unempfänglich für sein unvergleichliches Grinsen war und ihm öfter nachgab, als ihr lieb war.
    »Richte deine Jacke«, flüsterte sie ihm zu, als er sich zu ihr gesellte. Er zog ein Gesicht, gehorchte jedoch.
    Es war nicht das erste Mal, dass die Eltern eine wichtige Persönlichkeit in ihrem Haus beherbergten. Für eine große Familie erbaut, bot es jetzt, da sechs der sieben Töchter bereits eine eigene Familie hatten, reichlich Platz.
    »Wie lange soll das denn noch dauern?« Mürrisch beobachtete Jack, wie Mr. Marshall sich langsam den Weg durch die Menge bahnte.
    »Er kommt nicht oft nach Inverness«, sagte Elspeth. »Da ist es doch verständlich, dass die Leute mit ihm reden wollen.«
    »Ich wüsste allerhand, was ich lieber täte«, nörgelte Jack, und in diesem Fall ermahnte Elspeth ihn nicht, denn ihr ging es ebenso.
    Schließlich wurde die Menge lichter und der Zugang zu Mr. Marshall möglich. Mannhaft trat Jack von ihn hin und stellte sich vor. »Und das da ist meine Schwester, Sir«, setzte er mit einem Seitenblick hinzu. »Wir sollen Euch zu uns nach Hause begleiten. Wenn Ihr so weit seid, natürlich.«
    Der Prediger und Medicus lächelte die beiden freundlich an. »Ich möchte nur ein paar Bekannten Bescheid sagen, dass ich gehe – dann komme ich mit.«
    »Er redet gern, stimmt’s, Elspeth?«, sagte Jack, als der alte Gentleman außer Hörweite war.
    »Das muss er auch«, erwiderte sie. »Immerhin ist er auf zwei Kontinenten ein bekannter Redner.«
    »Meinst du, er hält Reden, weil er muss oder weil er gerne redet?«, fragte Jack.
    Sie zerzauste sein Haar, obwohl sie wusste, dass er es nicht leiden konnte. Einerseits war sie stolz darauf, wie erwachsen er sich benahm, andererseits wünschte sie, er würde sich nicht so beeilen mit dem Erwachsenwerden. Oft war ihr, als verginge die Zeit viel zu schnell, und mit ihr ihre Jugend.
    Schließlich hatte Mr. Marshall alles erledigt, was er erledigen wollte, und kam zu ihnen zurück.
    »Unsere Eltern bedauern, dass sie nicht kommen konnten, um Euch abzuholen«, sagte Elspeth. »Mein Vater hat eine Gichtattacke. Die Anfälle werden von Mal zu Mal schlimmer.«
    Mr. Marshall schaute besorgt drein. »Falls ich ungelegen komme – ich könnte auch bei einer anderen Familie Quartier nehmen.«
    »Auf keinen Fall«, beeilte Jack sich zu widersprechen. »Sie haben über nichts anderes gesprochen als Euren Besuch, Sir. Mein Vater kann nur nicht weit laufen – aber das liegt ihm ohnehin nicht.«
    »Ich habe festgestellt, dass regelmäßige Bewegung eine gute Behandlungsmethode bei Gicht ist«, sagte Mr. Marshall. »Das und leichte Kost ohne Ale und Schweinefleisch.«
    Elspeth lächelte. »Es kommt mir vor, als hörte ich meine Freundin Mary reden. Sie ist eine

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