Geliebter Lord
glühende Verfechterin Eurer Lehrsätze, Sir.«
»Sprecht Ihr von Mrs. Gilly?«, fragte er. »Ich freue mich schon darauf, sie kennenzulernen.«
»Sie befindet sich im Moment außerhalb von Inverness«, erklärte Elspeth, »aber ich erwarte sie stündlich zurück.«
Sie verließen die Wiese. Die Zuhörermenge zerstreute sich. Elspeth hoffte inständig, dass Mr. Marshall sie nicht fragen würde, was
sie
von seinen Lehrsätzen hielt.
Offenbar war Besuch gekommen, denn beim Betreten des Hauses scholl ihnen das dröhnende Lachen des Vaters aus dem Salon entgegen.
Als sie eintraten, erhob sich die Mutter und kam mit ausgestreckten Händen strahlend auf Mr. Marshall zu. »Ich bin entzückt, Euch kennenzulernen, und hocherfreut, Euch als unseren Gast begrüßen zu dürfen.« Sie trat neben ihn und drehte sich um.
»Mein Ehemann Horace«, sagte sie. Elspeths Vater nickte herzlich.
»Vergebt mir, dass ich nicht aufstehe, Sir«, bat er. »Ich bin im Moment gezwungen, mein Bein hochzulegen.«
»Macht Euch keine Gedanken.« Mr. Marshall beäugte interessiert den bandagierten Fuß. »Ich hoffe doch, Ihr verzichtet auf Nahrungsmittel, die Euren Zustand verschlechtern würden?«
»Mary Gilly hat darauf bestanden«, erwiderte Horace. »Sie hält große Stücke auf Eure Bücher.«
»Ich bedaure sehr, dass sie, wie ich hörte, nicht in der Stadt ist«, sagte Mr. Marshall.
»Wie es aussieht, wird sie auch nicht so bald zurückkommen«, warf Mrs. Grant mit einem Blick zu dem zweiten Mann im Raum ein.
Jack starrte den Fremden ungeniert an, und dieses Mal tadelte Elspeth ihn nicht, denn sie war genauso neugierig.
Der Unbekannte in der rehbraunen Hose und der dunkelblauen Jacke war eindeutig der bestaussehende Mann, der ihr je begegnet war. Ein Lächeln lag auf seinem Gesicht. Bis er sie entdeckte. In dem Moment wurde er abrupt ernst, und seine braunen Augen weiteten sich ein wenig.
Elspeth war nie zuvor Gegenstand so unverhüllter Aufmerksamkeit eines Gentleman gewesen und fand es in höchstem Maße irritierend.
Er stand auf, verbeugte sich leicht in ihre Richtung, und als ihre Blicke sich trafen, hörte Elspeth die Stimmen der anderen plötzlich wie aus weiter Ferne. Und dann kam ihr ein seltsamer Gedanke. Vielleicht belohnte Gott sie dafür, Mr. Marshalls Vortrag bis zum Ende durchgestanden zu haben, indem er sie diesen atemberaubenden jungen Mann kennenlernen ließ, der sich offenbar die Billigung ihres Vaters erworben hatte.
»Kapitän Brendan MacRae.« Die volltönende Stimme des Hausherrn brach den Bann, unter dem Elspeth stand.
Sie machte einen kleinen Knicks und tippte dann Jack auf die Schulter, um ihn an seine Manieren zu gemahnen. Er verbeugte sich ungeduldig, machte seinen Höflichkeitsversuch jedoch zunichte, als er herausplatzte: »Ihr seid Kapitän, Sir? Auf einem Schiff?«
Der Mann nickte, doch seine Aufmerksamkeit galt Elspeth. Das wusste sie, denn sie hatte ihn keine Sekunde aus den Augen gelassen.
Die Enttäuschung, die sie empfand, war so stark, dass Elspeth fürchtete, ohnmächtig zu werden. Ein Kapitän?
Sie wollte ihm sagen, wie sehr sie es bedaure, dass er so bald wieder aufbrechen müsse, zu Orten, die unendlich weit entfernt waren von Inverness, doch sie brachte kein Wort heraus.
Ihre Mutter führte Mr. Marshall zu einem Armsessel, und nachdem die Damen Platz genommen hatten, ließ er sich darin nieder. Elspeth hatte sich neben ihre Mutter auf das kleine Sofa aus geschnitztem Mahagoni gesetzt, direkt gegenüber von Brendan MacRae.
Er sah gar nicht aus wie ein Kapitän. Er hätte auch Anwalt sein können oder ein Angestellter in der Brennerei ihres Vaters. Sein Nackenhaar war der Mode entsprechend mit einer Schleife zusammengebunden, und Elspeth fragte sich unwillkürlich, ob ihm wohl eine Frau geholfen hatte. Sie war schon oft dabei gewesen, wenn ihre Mutter ihrem Vater beim Ankleiden zur Hand ging, ihn neckte, während sie seine Halsbinde zurechtrückte, und von ihm am Ende ob ihrer Fürsorge einen Kuss auf die Stirn bekam.
»Wo liegt denn Euer Schiff?«, erkundigte Jack sich, was ihm einen tadelnden Blick des Vaters eintrug.
»Zu weit weg, um es dir zu zeigen, fürchte ich.«
Seine Stimme war tiefer, als Elspeth gedacht hatte, und seine Art verriet ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein.
»Kapitän MacRae hat eine Nachricht für dich von Mary, Liebes«, erklärte Mrs. Grant ihrer Tochter.
Elspeth nickte nur stumm – sie war immer noch unfähig zu sprechen.
Der Kapitän
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