Geliebter Lord
reichte ihr den Brief herüber, und sie fasste mit zitternden Fingern zu. Einen Moment lang hielten sie ihn beide fest, waren durch das Pergament verbunden. Als sie den Blick hob, sah sie, dass der seine sie noch immer fixierte.
»Danke«, brachte sie erstickt hervor.
Er ließ los, und ein absurdes Gefühl des Verlassenwerdens bemächtigte sich ihrer.
Aller Augen richteten sich auf sie. Obwohl sie den Brief lieber allein in ihrem Zimmer gelesen hätte, öffnete sie ihn – und begann zu lächeln, als sie Marys Zeilen las.
»Seid Ihr mit ihrem Patienten verwandt, Kapitän MacRae?«, fragte sie, von dem Schreiben aufschauend.
»Er ist mein Bruder – und ich fürchte, Ihr habt ihre Abwesenheit
mir
zu verdanken. Mein ältester Bruder und seine Frau hatten von Mrs. Gilly gehört, und ich überredete sie, Hamish zu behandeln.«
»Dieses Castle scheint ein faszinierender Ort zu sein«, sagte Elspeth. Wenn sie Marys Worte richtig deutete, dann war sie von ihrem Patienten ebenso fasziniert.
»Es ist eine verlassene Festung mitten im Nirgendwo.«
Hätte sie ihn nicht so aufmerksam beobachtet, wäre ihr nicht aufgefallen, dass seine Züge sich eine Spur verhärtet hatten. War es ihm unangenehm, über das Castle zu sprechen?
»Was schreibt sie denn, Liebes?«, frage die Mutter, und Elspeth wurde ihre unabsichtliche Unhöflichkeit bewusst.
Da sie den Brief nicht vorlesen wollte, gab sie seinen Inhalt wieder. »Dass sie erst aufbrechen kann, wenn der Patient gesund ist, und dass sie sehr enttäuscht ist, die Verabredung mit Euch, Mr. Marshall, nicht einhalten zu können.«
»Das verstehe ich doch.« Der Prediger nickte freundlich. »Die Gesundheit eines Patienten geht allemal vor.«
»Ist er sehr krank?« Es tat Elspeth leid, dass der Kapitän solchen Kummer ertragen musste.
»Ich erwarte seine Genesung in den nächsten Tagen«, antwortete er lächelnd.
»Dann kehrt Ihr unverzüglich zu dem Castle zurück?«
»Ich wollte eigentlich zu meinem Schiff.«
Es war, als steche ihr jemand eine Nadel ins Herz. Das Atmen wurde ihr schwer, und ihre Brust fühlte sich an wie bei der hartnäckigen Erkältung, die sie im vergangenen Winter geplagt hatte. Aber sie zwang ihr Lächeln, auf seinem Platz zu bleiben. »Dann wünsche ich Euch eine gute Reise. Werdet Ihr schon bald in See stechen?«
»Ich weiß es nicht.«
Ein seltsamer Ausdruck war in Brendans Augen getreten. Er sah sie an, als läge die Entscheidung über seine Pläne bei ihr.
Mrs. Grant stand auf. »Es wäre uns eine Freude, wenn Ihr zu dem Willkommensdinner für Mr. Marshall bleiben würdet«, sagte sie.
Er antwortete höflich, aber seine Worte wehten an Elspeths Ohren vorbei wie eine sanfte Brise. Sie konnte nicht aufhören, ihn anzustarren, obwohl sie wusste, dass sie sich außerordentlich ungehörig benahm. Ihr war, als würde ihr Herz nur weiterschlagen, wenn sie Kapitän MacRae weiter anlächelte.
Die Mutter sagte etwas, und Jack murmelte widerstrebend eine Zustimmung. Der Vater unterhielt sich mit Mr. Marshall, das Dienstmädchen antwortete auf eine Frage der Mutter, doch all das nahm Elspeth nicht wahr.
Und Kapitän MacRae schien es ebenso zu gehen.
Kapitel 13
Z wei Kerzen in der Mitte des Küchentischs beleuchteten zwei noch leere Suppenschüsseln, einen Laib Brot und ein Schüsselchen mit gehackten grünen Zwiebeln. Es war eine einfache Mahlzeit, aber eine herzhafte, und sie machte Hamish bewusst, dass die größten Freuden im Leben keines großen Aufwandes bedurften. Mary füllte aus dem großen Kessel über dem Feuer Suppe in die Teller.
Sie setzte sich Hamish gegenüber, und sie begannen zu essen. Im nächsten Augenblick hob er den Kopf und lächelte sie an. »Es ist das erste Mal seit über einem Monat, dass ich eine Mahlzeit in Gesellschaft einnehme.«
»Dein Einsiedlerleben war selbst gewählt.«
Und niemand anders als Mary Gilly hätte ihn aus seiner Höhle locken können, dachte er. Was hatte sie gesagt, als sie es das erste Mal versuchte? Irgendetwas über Drachenschuppen?
»Wollen wir in mein Zimmer gehen?«, fragte er nach dem Essen.
»Wäre es nicht klüger, hier zu spielen?« Sie schaute um sich. Er wusste, was sie dachte, denn er dachte das Gleiche. In der Turmkammer stand sein Bett. Wie sollten sie sich auf das Brettspiel konzentrieren, wenn sie ein ganz anderes Spiel im Sinn hatten?
»Ich werde dich nicht anrühren, bis der Gewinner feststeht, Mary. Mein Wort darauf.«
Sie nickte, akzeptierte sein Versprechen so
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