Geliebter Lord
war er in den Vordergrund gerückt, doch erst in diesem Augenblick, als er in Marys Haus mit diesem bösartigen Ausdruck um den Mund vor ihr stand, wurde ihr bewusst, wie sehr sie ihn verabscheute.
»Sie hat sich das ganz allein zuzuschreiben.«
»Wie könnt Ihr das sagen? Ihr wisst so gut wie ich, dass sie Gordon liebte. Sie hätte ihm nie etwas angetan.«
Charles schwieg.
Elspeth streckte die Hand nach hinten und öffnete die Tür, flüchtete, bevor er sie wieder aufhalten konnte. Am Fuß der Stufen rückte sie ihr Kleid zurecht. Nachdem sie ein paar Meter gegangen war, drehte sie sich um und schaute zu dem Haus zurück. Irgendetwas lag ganz entschieden im Argen, und sie würde ergründen, was es war. Entschlossenen Schrittes machte sie sich auf den Weg zum Markt.
Nach einem Blick auf seine Taschenuhr entschied Hamish, dass es noch früh genug am Tage war, um Elspeth aufzusuchen. Allerdings musste er vorher herausfinden, wo sie wohnte. Eine Stunde und mehrere auskunftsbereite Passanten später war er am Ziel.
Das hübsche Haus war weiß getüncht, vor jedem Fenster ein Blumenkasten angebracht. Wie zur Begrüßung fegte ein Windstoß um die Ecke.
Hamish ergriff den Messingring des Türklopfers und ließ ihn gegen das Ebenholz fallen.
Die Frau, die gleich darauf öffnete, war eindeutig kein Dienstmädchen. Ihr Kleid war von der gleichen Art wie Marys, der Stoff ebenso teuer. Hamish hatte genügend Seide von einem Ende der Welt ans andere transportiert, um den Preis auf den ersten Blick einschätzen zu können.
»Mein Name ist Hamish MacRae«, stellte er sich vor.
»Brendans Bruder?«, warf sie ein, bevor er sein Anliegen vorbringen konnte.
»So ist es.«
Zu seiner Überraschung packte sie ihn beim Ärmel und zog ihn ins Haus.
»Ich bin Nan Grant. Brendan hat von Euch erzählt. Es erstaunt mich, Euch hier zu sehen. Ich dachte nicht, dass Ihr reisefähig wäret.« Sie trat einen Schritt zurück und musterte ihn eingehend, wie seine Mutter oder Mary es taten, um seinen Gesundheitszustand zu beurteilen.
»Es geht mir gut«, sagte er und fragte sich, was genau Brendan wohl erzählt hatte. Zweifellos etwas, um Marys guten Ruf zu wahren. »Das verdanke ich Mrs. Gilly«, setzte er hinzu.
Sie lächelte ihn an. »Und wir verdanken ihr das Leben unseres Sohnes Jack. Wisst Ihr, dass sie ihn gerettet hat?«
Hamish nickte. Nan drehte sich um, durchquerte die Diele, öffnete eine Tür und bedeutete ihm einzutreten. »Willkommen in unserem Heim, Mr. MacRae.«
Die Wände des Salons waren mit blassrosa gestreifter Seide bespannt. Am Ende des Raums befand sich ein Kamin mit einem schwarzen Eisenmantel, vor dem sich zwei kleine Mahagonisofas mit grün geblümter Polsterung gegenüberstanden. Der Raum atmete Wohlstand, aber auch Behaglichkeit. Vor einem Sessel stand ein Stickrahmen und neben einem anderen ein Rauchtisch. Hamish hatte den Eindruck, dass dieser Salon der Familie vorbehalten war.
»Nehmt doch Platz.« Nan setzte sich auf eines der Sofas und blickte erwartungsvoll zu Hamish auf.
»Danke.« Er ließ sich ihr gegenüber nieder, und sie griff hinter sich und betätigte einen Klingelzug.
»Wie geht es Mary?« Nan lächelte noch immer, doch Hamish entging nicht, wie scharf sie ihn beobachtete.
Er entschied sich für Ehrlichkeit. »Ich weiß es nicht.«
Ihre Augen weiteten sich, aber bevor sie ihrer Überraschung Ausdruck verleihen konnte, erschien ein Dienstmädchen in der Tür und lenkte Mrs. Grant ab. »Bring uns Tee, Bridget«, wies sie das Mädchen an und wandte sich Hamish zu. »Möchtet Ihr etwas essen?«
Er schüttelte den Kopf.
»Bring trotzdem etwas Gebäck«, sagte sie und fügte, wieder Hamish zugewandt, hinzu: »Unsere Köchin bäckt die köstlichsten Kekse.«
Kaum hatte sich die Tür hinter dem Dienstmädchen geschlossen, fragte Nan: »Wie soll ich das verstehen, dass Ihr es nicht wisst? Wo ist Mary denn?«
»Sie hat Euch nicht aufgesucht oder Euch eine Nachricht zukommen lassen?«
Mrs. Grant schüttelte den Kopf.
»Und Eure Tochter weiß auch nichts über ihren Verbleib?«
Mrs. Grant legte die Hände zusammen und beugte sich vor. »Warum fragt Ihr, Mr. MacRae?«
»Sie hat das Castle gestern verlassen, und ich dachte, sie wäre nach Inverness zurückgekehrt.«
»Wart Ihr schon bei ihr zu Hause?«
»Ja. Dort ist sie auch nicht.«
»Habt Ihr mit Charles gesprochen?«
»Er war nicht gerade entgegenkommend.«
Nans Stirnrunzeln drückte die Besorgnis aus, die Hamish
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