Geliebter Lord
empfand.
»Wo kann sie nur sein?«
Die Tür öffnete sich, und ein älterer Gentleman mit hängenden Schultern hinkte herein, gefolgt von Brendan und einem Jungen.
Hamish stand auf. Sein Bruder kam grinsend auf ihn zu und packte ihn beim Arm. »Was tust du denn hier?«
»Dasselbe könnte ich
dich
fragen, Brendan. Wolltest du nicht auf dem schnellsten Weg nach Gilmuir zurück und zu deinem Schiff?«
»Jack!«, ermahnte Mrs. Grant, die sich ebenfalls erhoben hatte, ihren Sohn, der Hamish anstarrte wie eine Erscheinung. »Horace«, wandte sie sich an den alten Herrn, »dies ist der Bruder von Brendan.«
»Hamish MacRae, Sir«, stellte Hamish sich vor.
Mr. Grant war ein hochgewachsener Mann mit braunem, von Grau durchzogenem Haar, das in Koteletten auslief. Sein Gesicht war blass, als käme er nie an die frische Luft, doch seine blauen Augen leuchteten.
»Horace Grant. Es freut mich, Eure Bekanntschaft zu machen, Sir.« Er lächelte Hamish an, humpelte zu einem Ohrensessel, ließ sich darin nieder und legte die Füße auf die Ottomane. »Ihr müsst mein informelles Benehmen entschuldigen, Sir – ich komme gerade aus der Brennerei und war viel zu lange auf den Beinen.«
»Sosehr ich mich auch freue, dich zu sehen, Hamish«, wandte Brendan sich wieder seinem Bruder zu, »möchte ich doch gerne wissen, was dich hierhergeführt hat.«
»Euer Bruder ist auf der Suche nach Mary«, warf Mrs. Grant ein.
»Sie ist nicht mit dir gekommen?«
Hamish schüttelte den Kopf und wiederholte, was er bereits Mrs. Grant berichtet hatte.
»Wo kann sie sein?«, wunderte sich Mr. Grant.
»Es bleibt mir nichts anderes übrig, als weiterzusuchen«, sagte Hamish. »Vielleicht ist sie ja bei einem Patienten.«
»Hältst du das für wahrscheinlich?«, fragte Brendan.
»Möglich ist alles«, erwiderte Hamish, und das war seine aufrichtige Meinung, seit Mary ihn sang- und klanglos verlassen hatte.
Mrs. Grant kam vom Sideboard herüber, wo sie drei Drinks eingeschenkt hatte. Sie reichte den Herren die Gläser. Ihr Mann hielt sein Glas gegen das Licht und runzelte die Stirn.
»Ich habe eine Gichtattacke, und meine Frau und meine Tochter glauben, mich gesund zu machen, indem sie mir die Freuden des Lebens verweigern«, erklärte er den beiden Gästen.
»Das ist ein ausgezeichneter Whisky«, lobte Hamish, nachdem er daran genippt hatte.
Grant quittierte das Kompliment mit einem Nicken. »Ich hatte das Glück, eine gutgehende Brennerei zu erben.«
»Die unter deiner Leitung noch erfolgreicher wurde«, warf seine Frau ein und wandte sich den Besuchern zu. »Es gibt in ganz Schottland keinen besseren Whisky als Black Wing.«
»Und trotzdem darf ich ihn nur in medizinischen Dosen genießen.« Mr. Grant bedachte seine Frau mit einem liebevollen Blick und wandte sich dann wieder Hamish zu. »Habt Ihr mit Charles Talbot gesprochen?«
»Er hat es nicht gesagt, doch ich glaube, dass er weiß, wo Mrs. Gilly ist. Vielleicht verdächtige ich ihn aber auch zu Unrecht, weil er mir auf den ersten Blick unsympathisch war.«
Mr. Grant schien sich nicht an seiner Offenheit zu stören. Er nippte lächelnd an seinem Glas und sagte: »Ich muss gestehen, dass der Mann mir ebenfalls nicht geheuer ist. Er gibt sich liebenswürdig, aber seine Augen sprechen eine andere Sprache.«
»Ich mache mir ernsthaft Gedanken um Mary«, fasste Mrs. Grant die Empfindung der Anwesenden in Worte. »Es sieht ihr nicht ähnlich, einfach zu verschwinden. Sie würde nicht zulassen, dass ihre Bekannten und Freunde sich um sie sorgen.«
Hamish nickte, denn er dachte dasselbe. Aber war sie vielleicht Hals über Kopf vor ihm geflüchtet und hatte sich in Gefahr gebracht? Etwas stimmte nicht, davon war er überzeugt.
»Habt Ihr auch mit dem Dienstmädchen gesprochen?«, fragte Mrs. Grant.
»Ja. Sie sagte, Mrs. Gilly wäre außerhalb der Stadt bei einem Patienten.«
»Dann ist das alles, was sie weiß. Betty ist unfähig zu lügen.«
Draußen wurde die Haustür geöffnet, und dann waren Stimmen zu hören.
Mrs. Grant sagte: »Das wird Mr. Marshall sein.«
»Matthew Marshall?«, fragte Hamish.
Sie nickte. »Kennt Ihr ihn?«
»Mrs. Gilly erwähnte ihn. Sie hält große Stücke auf ihn«, antwortete er in Erinnerung an das eselsohrige Buch in ihrem Arztkoffer.
»Ja, das tut sie. Haltet Ihr es für möglich, dass sie nach Inverness zurückgekehrt ist, um sich mit ihm zu treffen?«
»Es wäre zumindest eine einleuchtende Erklärung für ihre Abreise.«
Die
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