Geliebter Unsichtbarer
ihm aufkam. Er durfte nie wieder den gleichen Fehler machen. Das Böse musste unverzüglich beseitigt werden, egal in welcher Form es sich präsentierte: als Dämon oder als Mensch.
2
Als Leila ein dringendes Klopfen an der Tür zu ihrem Labor hörte, hob sie den Kopf von ihrem Mikroskop.
„Dr. Cruickshank? Sind Sie noch da?“
Sie strich ihren Laborkittel glatt und fing ihr Spiegelbild in der Vitrine über der Werkbank, über die sie gebeugt saß, auf. Ihr Pferdeschwanz hielt ihr langes, braunes Haar noch immer zurück, aber mehrere Strähnen waren herausgerutscht und ringelten sich jetzt um ihr Gesicht. Es sah fast so aus, als hätte sich ihr Friseur große Mühe gegeben, ihr Haar so zu legen. Natürlich war das nicht der Fall. Sie hatte schon seit Monaten keinen Friseursalon mehr von innen gesehen. Wie könnte sie es rechtfertigen, kostbare Zeit an ihr Aussehen zu verschwenden, wenn so viel wichtigere Arbeit auf sie wartete?
In den letzten Monaten hatte sie große Fortschritte gemacht. Die klinischen Studien waren vielversprechend, und es schien so, als wäre nur ein wenig mehr Feintuning nötig, bis das Medikament genau das tun würde, was sie wollte: Alzheimer, eine Krankheit, an der ihre Eltern litten, zu stoppen. Das Medikament zeigte sogar Anzeichen, einige Auswirkungen der Krankheit rückgängig machen zu können, obwohl die Chancen, alle bereits durch Alzheimer verursachte Schäden wieder zu beheben, gering waren.
Für ihre Eltern war es ein Wettlauf gegen die Zeit. Es gab Momente, in denen sie gesund erschienen, doch oft wurden ihre Gedächtnislücken enorm, und sie konnte sehen, wie sie immer weiter der Krankheit verfielen. Wenn sie ihre Forschung nicht bald erfolgreich beendete, wären die Schäden, die die Neuronen in ihren Gehirnen verursachten, zu schwerwiegend, als dass ihr neues Medikament sie ausmerzen könnte. Je früher das Medikament verabreicht wurde, desto höher standen die Chancen, dass alle Gehirnfunktionen sich wieder erholen konnten. Obwohl sie wusste, dass ihre Eltern vielleicht nie vollständig geheilt werden würden, klammerte sie sich an die Hoffnung, dass zumindest einige ihrer Gehirnfunktionen ihre früheren Fähigkeiten wieder erlangen könnten.
Mit sechsunddreißig sollte sie Kinder und eine eigene Familie haben, aber für Leila hatte es nie etwas anderes als ihre Arbeit gegeben. Angezogen von dem hohen Einkommen, hatte sie nach dem Abschluss ihres Medizinstudiums in die plastische Chirurgie gehen wollen. Als jedoch zuerst ihr Vater und dann ihre Mutter frühe Anzeichen von Alzheimer gezeigt hatten, hatte sie sofort die Fachrichtung gewechselt.
Leila war plötzlich klar geworden, dass all das Geld ihrer Eltern nichts bedeutete, wenn sie verlieren würden, was sie am meisten liebten: einander. Nachdem sie ihren Facharzt abgelegt hatte, hatte Inter Pharma Interesse an ihrer Forschung gezeigt und ihr einen Job angeboten. Jetzt überwachte sie in ihrem eigenen Labor drei Laboranten und zwei junge Forscher.
Sie liebte es, ein eigenes Labor zu leiten, und die Reglementierung ihrer Arbeit lag ihr. Alles hatte seine Zeit und seinen Platz. So schaffte sie es, mit Krisen umzugehen: indem alle Dinge geordnet waren und sie immer wusste, was als nächstes kam. Sie hatte immer einen Plan. Es gab ihr die Sicherheit, nach der sie sich sehnte, seit ihre Eltern erkrankt waren. Und das Bedürfnis nach Sicherheit spiegelte sich auch in ihrer Arbeit wider.
Während ihr Laborteam viele verschiedene Teile ihrer Forschung ausführte, war Leila die einzige, die Zugriff auf die kompletten Daten hatte und die Formel des Medikaments kannte. Ihre Daten in Sicherheit zu wissen, war von äußerster Wichtigkeit.
Es war einer der Gründe, warum sie nicht den vernetzten Computer von Inter Pharma, sondern ihren eigenen verschlüsselten Laptop benutzte, dessen Daten sie auf einem Memory Stick sicherte. Diesen versteckte sie in einem mit Diamanten besetzten Anhänger, der an einer Kette um ihren Hals hing. Sie trug diesen Anhänger überall.
Es hatte einen Vorfall gegeben, bei dem ein Mitarbeiter einem anderen Forscher Daten gestohlen hatte, die dann später bei einem anderen Pharma-Unternehmen aufgetaucht waren, welches dann die neue Entdeckung früher auf den Markt gebracht hatte. Ein neues Medikament bedeutete große Mengen an Geld für Inter Pharma. Für Leila jedoch hatte es eine viel größere Bedeutung: ihre Eltern wiederzubekommen und ihre Augen aufleuchten zu sehen, wenn sie ihre Tochter
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