Geliebtes Landleben
sind zwangsläufig viel zusammen, weil der Supermarkt so nah bei seinem Haus ist und Tony alle Mitteilungen für ihn annimmt. Sie ist kein junges kleines Mädchen mehr, das sich sofort in jeden verliebt, den sie bewundert, aber sie weiß, wie nötig ein Arzt hier ist, und sie macht eine Art Held aus Oliver Barrett.«
Alison saß einen Augenblick schweigsam da, dann sagte sie ziemlich traurig: »Ich hoffte, es würde Peter sein.«
»Um ehrlich zu sein, das habe ich auch gehofft. Aber ich habe nie herausfinden können, ob Peter in sie verliebt ist oder nicht.«
»Ich auch nicht. Niemand wird jemals erfahren, ob sich etwas verändert hat. Aber ich glaube ja. Er ist in letzter Zeit noch stiller geworden und will überhaupt nicht ausgehen... Er ist natürlich kein umwerfender Mann. Aus ihm könnte man unmöglich einen Helden machen.«
Ich dachte daran, wie ruhig und selbstlos Peter sich nach dem Tode seines Vaters einer anspruchsvollen, schwierigen Mutter geopfert und vielleicht damals das Glück und sein eigenes Leben verpaßt hatte. Aber ich sagte nur: »Dr. Barrett ist auch kein Held. Peter ist ihm in jeder Hinsicht überlegen, sogar im Aussehen — er ist größer und weitaus männlicher. Ich glaube, Paul hat nicht ganz unrecht, wenn er sagt, der Doktor habe einen ziemlich schwachen Charakter, außer wenn es um seine eigenen Interessen gehe. Seine Interessen bestehen gegenwärtig darin, aus dieser schwierigen Praxis etwas Gutes zu machen — und davon versteht er etwas. Er ist weitaus der beste Arzt, den wir je hatten. Aber ich glaube, er braucht eine Schulter, auf die er sich stützen kann.«
»Leider stützt Tony gern jemanden, und gerade die Tatsache, daß er hart arbeitet und niemand für ihn sorgt, gefällt ihr. Peter scheint so selbstsicher zu sein. Er stützt sich auf niemanden; dieses Ehepaar bei ihm versorgt ihn bestens. Er sieht nie blaß aus, sondern einfach schrecklich gesund.«
Wir lachten beide, und ich sagte dann: » Jemanden zu stützen und zu umsorgen ist eine Zeitlang ganz schön, aber es kann langweilig werden, besonders, wenn es nur von einer Seite ausgeht; daher hoffe ich... Aber, laß uns dieses Gespräch vergessen, Alison. Ich spreche nicht einmal mehr mit Larry über Peter.«
Aber natürlich wußte Larry Bescheid. Es ist unmöglich, daß zwei Menschen elf Jahre lang alles geteilt haben und dann nicht erraten, was in den Gedanken des anderen vorgeht. Aber sie sprach nie darüber. So war Larry eben. Sie konnte manchmal schrecklich geschwätzig sein, aber wenn es etwas war, was mir wirklich am Herzen lag, mischte sie sich nicht ein. Gerade diese Eigenschaft machte sie zu einer so guten Freundin. Aus ihrem Schweigen merkte ich jedoch, daß sie wußte, was mir Sorgen machte.
Sorgen? Das war albern. Oliver Barrett war ein angenehmer Mensch, ein sehr fähiger Arzt, selbstlos in seiner Arbeit, nett zu jedermann und verliebte sich offensichtlich gerade von ganzem Herzen in Tony. Die meisten Mütter — und ich fühlte mich als Mutter dieses Mädchen — wären entzückt gewesen. Ich bin sicher, ihre richtige Mutter hätte sich gefreut, denn Claudia bedauerte immer den »unglücklichen Abstieg ihrer Tochter in den Handels wie sie es nannte; hiermit würde sie gesellschaftlich wieder steigen.
Ich machte mir nur Sorgen, weil ich sicher war, daß Tony in einem albernen Paradies lebte. Sie war jung und töricht genug, um zu glauben, ihr Doktor sei der selbstlose Sklave des Hinterlandes, während der Rest von uns merkte, daß er diese Praxis nur als Sprungbrett benutzte. Oliver Barrett schwieg sich über seine Zukunftspläne völlig aus, aber wir konnten sicher sein, daß sie Tiri nicht einschlossen. Ärzte waren sowohl in der Stadt als auch auf dem Lande Mangelware, und dort lagen für ihn Erfahrung und Aufstieg. Dieser junge Mann würde immer gute und gewissenhafte Arbeit leisten und wurde in der Stadt fast genauso gebraucht wie hier. Tony sollte einsehen, daß man nicht von ihm erwarten konnte, lange hierzubleiben.
Ich versuchte, ihr das vorsichtig zu erklären, aber sie brauste sofort auf.
»Ich weiß, daß sich Oliver nur für sechs Monate festgelegt hat, aber er wird so lange bleiben, wie er gebraucht wird. Er weiß, daß es in der Stadt einige Ärzte und Krankenhäuser gibt. Hier gibt es nichts. Hier wird er am meisten gebraucht, und er ist kein Mensch, der seiner Pflicht den Rücken kehrt.«
Ich hätte sie am liebsten durchgeschüttelt, aber sie konnte mir mit ihren Illusionen nur sehr
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