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Gelinkt

Gelinkt

Titel: Gelinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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hier bezahlt werden mußten.
    »Mein Geld kommt in westlicher Währung. Ich esse immer hier«, erklärte er ihr.
    War er möglicherweise ein Sendbote der Londoner Zentrale? Nein. Er war nicht der Typ, den Bret oder Sir Henry für die heikle Rolle des Mittelsmanns nehmen würde.
    Andererseits wäre die Maske des Liebhabers die perfekte Tarnung für einen Kontaktmann aus London. Wenn er die Rolle tatsächlich spielte, würde er sich ihr bald zu erkennen geben. So wurde es immer gemacht. Sie würde abwarten und sich nichts vergeben, bis auf weiteres die perfekte Kommunistin bleiben. »Was empfiehlst du also, sollen wir essen?« fragte sie.
    Er blickte auf und lächelte. Er war so glücklich, daß sein Überschwang auch sie packte. »Steak, Forelle oder Schnitzel, mehr habe ich hier noch nicht probiert.«

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    »Also Forelle. Keine Vorspeise.« Und dann traf sie ein anderer Gedanke wie eine Bombe: Konnte es sein, daß er für Moskau arbeitete? Sehr, sehr unwahrscheinlich. Bei jener ersten Begegnung in London hatte er zugegeben, keine Arbeitserlaubnis zu haben. Hätte sie die
    Einwanderungsbehörde angerufen, wäre es ihm an den Kragen gegangen. Aber Augenblick mal: Gerade weil er mit den Behörden hätte Ärger kriegen können, hatte sie ja darauf verzichtet, ihn offiziell durchleuchten zu lassen. Deshalb und natürlich auch, weil Bernard womöglich angefangen hätte, Fragen zu stellen. Sie rief sich jene erste Begegnung auf dem Bahnhof in Erinnerung, Schritt für Schritt, Wort für Wort.
    Seine »Nichte« sprach mit Fiona und lief dann weg. Das hätte ein abgekartetes Spiel gewesen sein können. An der Begegnung war nichts, das nicht hätte vorausgeplant sein können.
    »Fiona«, sagte er.
    »Ja, Harry?«
    »Ich liebe dich wahnsinnig.« Er liebte sie. Niemand konnte die Anbetung, die sie in seinen Augen las, vortäuschen. Aber, sagte ihre neurotische, mißtrauische und logische Seite, daß der Mann in sie verliebt war, bewies ja nicht, daß nicht Moskau ihn schickte.
    »Ich weiß alles über dich«, sagte er plötzlich. Und wieder erschrak sie. »Außer weshalb du den Freischütz magst.
    Inzwischen kenne ich ihn bis in die geringste Tonschwankung.
    Ich kann Schönberg und Hindemith verkraften, aber kannst du mir in dieser ganzen verdammten Oper auch nur zehn Minuten richtige melodische Musik herausfinden?«
    »Die Deutschen mögen sie, weil sie von einem vollkommen vereinigten Deutschland handelt.«
    »Ist es das, was du willst: ein vereinigtes Deutschland?«
    fragte er.
    Rote Lichter leuchteten auf. Was war gegenwärtig

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    hinsichtlich der Vereinigung die offizielle Linie?
    »Nur zu den richtigen Bedingungen«, sagte sie vorsichtig.
    »Und was meinst du?«
    »Wer sagte doch, daß er Deutschland so gerne mochte, daß ihm zwei davon lieber wären als eins?«
    »Ich weiß es nicht genau.«
    Er beugte sich vor und sagte vertraulich: »Vergiß, was ich gerade gesagt habe. Ich finde den Freischütz ganz toll, bis zum letzten kleinen Viertelseufzer.«

    - 261 -

16
    London, Oktober 1983
    Es war zwei Uhr früh. Daheim in seinem Haus an der Themse saß Bret im Bett und las die letzten Seiten von Zolas »Nana«.
    Unter dem Einfluß von Sylvester Bernstein hatte Bret die Freuden der Romanlektüre entdeckt. Zuerst hatte Sylvester ihm
    »Germinal« geliehen, und nun hatte Bret – der ja für tiefe und plötzliche Begeisterungen anfällig war – beschlossen, die zwanzig Bände des ganzen Zolaschen Romanzyklus zu lesen.
    Das Telefon klingelte. Er ließ es lange läuten, aber da der Anrufer nicht aufgab, griff er schließlich nach dem Hörer.
    »Hallo?« Bret sagte immer hallo. Er hielt es nicht für richtig, jedem seine Identität zu verraten.
    »Ach, bester Bret, ich hoffe, ich habe Sie nicht geweckt.«
    »Ich lese ein hervorragendes und bewegendes Buch, Sir Henry.«
    »Solange Sie nicht gerade mit irgendwas Wichtigem befaßt sind«, sagte der D.G. ungerührt. »Ich weiß, daß Sie was von einer Nachteule haben. Jedenfalls duldet die Sache leider keinen Aufschub.«
    »Ich verstehe.« Bret legte das Buch zur Seite und schloß es bedauernd.
    »Ein Verbindungsmann zum Special Branch hat vor ein paar Minuten bei mir zu Hause angerufen. Auf der Polizeiwache in Chichester ist eine junge Frau aufgekreuzt, anscheinend eine Engländerin, die jemanden aus unserer Branche sprechen wollte.«
    »Ach, gewiß, Sir«, sagte Bret.
    »Natürlich gähnen Sie schon. Ja, das haben wir im Laufe der Zeit schon oft erlebt, gebe ich zu. Aber

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