Gelöscht (German Edition)
gefährlichen 3,3. Mir ist schlecht und ich zittere. Diesmal war ich diejenige, die die Säge hielt. Könnte ich so etwas wirklich tun?
Langsam, ganz langsam hört mein Herz auf zu rasen und mein Level steigt, aber die Bilder verschwinden nicht. Sie laufen wieder und wieder vor meinem inneren Auge ab. Ein Diamantsägeblatt. Whisky. Ein schneller Schnitt.
War ich wirklich dort, an diesem Ort, und habe diesen Jungen gequält? Irgendwo tief in mir da drin ist ein Sprung, ein Lichtschimmer.
Ich will es nicht wissen, aber es gibt kein Entkommen. In meinem Traum war ich zutiefst erschreckt, als ich an der Reihe war, das Armband entfernen zu lassen. Nicht wegen des Schmerzes oder weil ich sterben könnte, sondern weil ich dann ohne mein Levo sein würde. Ich hasse das Gerät: wofür es steht und was es mit meinem Leben macht. Aber aus irgendeinem Grund muss ich es behalten – allein der Gedanke daran, es zu verlieren, erfüllt mich mit Angst und Schrecken.
Warum?
Als ich am Freitagmorgen zur hintersten Bank im Bus gehe, ist Bens Platz leer. Ich stehe noch halb, als der Bus losfährt, und lasse meinen Blick über alle Gesichter wandern. Nein, er sitzt auch nirgendwo sonst. Er ist einfach nicht da.
Innerlich gerate ich in Panik. Er hat es nicht getan. Nein. Er sagte, dass seine Eltern über das Wochenende verreist seien und dass er dann versuchen würde, sein Levo zu durchtrennen. Er hat es doch nicht schon früher getan, oder?
Wie betäubt sitze ich am Vormittag im Unterricht, als wäre ich wieder in meinem Albtraum. Ich spiele sogar mit dem Gedanken, Mrs Ali um Hilfe zu bitten. Wenn ich ihr erzähle, was Ben vorhat, werden sie ihn aufhalten. Sie werden es nicht zulassen. Aber wie lange wäre er dann sicher? Was würden die Lorder dann mit ihm machen?
Wenn es nicht schon zu spät ist.
Mittags laufe ich allein über das Schulgelände. Kann mir irgendjemand helfen?
Vielleicht Jazz.
Ich weiß von Amy, dass sie und Jazz normalerweise im Gemeinschaftsraum der 13. Jahrgangsstufe zu Mittag essen, und dorthin gehe ich jetzt. Amy macht noch immer ihr Praktikum, also muss ich ihr nicht aus dem Weg gehen. Aus irgendeinem Gefühl heraus habe ich ihr verschwiegen, was mit Ben los ist. Sie ist ohnehin schon der Meinung, dass ich ihn nicht mehr treffen sollte – wie würde sie reagieren, wenn sie wüsste, dass er vorhat, sein Levo abzuschneiden?
Ich stehe unsicher in der Tür.
Bitte, Jazz, sei hier.
Der Gemeinschaftsraum ist voller Schüler, die gruppenweise zusammensitzen und sich unterhalten, auf Bänken ihr Mittagessen verzehren oder an Tischen und in Nischen ihre Hausaufgaben machen. Ich überfliege den Raum, doch ich kann Jazz nirgendwo entdecken. Ich recke den Kopf, um auch die hinterste Ecke abzusuchen.
»Aus dem Weg, bitte«, sagt eine Stimme hinter mir. Ich trete zur Seite und zwei ältere Mädchen laufen an mir vorbei und sehen mich dabei spitz an. »Verzieh dich, hier dürfen nur die aus der 13. rein.«
»Ich suche nach Jazz MacKenzie.«
Sie ignorieren mich und gehen weiter.
»Jazz?«, frage ich lauter. Sein Kopf taucht in einer Gruppe von Schülern bei einem Tisch in der Mitte des Raumes auf. Er lächelt und kommt rüber.
»Hi, Kyla, wie läuft’s?«
»Können wir uns kurz unterhalten? Ich meine, unter vier Augen? «
»Klar, warte kurz.« Er holt seine Jacke und kommt wieder zu mir. »Lass uns einen Spaziergang machen.«
Wir gehen den Flur hinunter und laufen aus dem Gebäude. Weil der Himmel grau ist und es ein wenig nieselt, sitzt niemand auf den Bänken oder ist auf den Wegen unterwegs.
»Was gibt’s denn?«, fragt Jazz, als wir die letzten der potenziellen Lauscher hinter uns gelassen haben.
»Ich mache mir große Sorgen um Ben. Er war heute nicht im Bus.«
»Na ja, vielleicht hat er verschlafen. Oder er ist erkältet oder beim Zahnarzt. Es gibt tausend Gründe.« Jazz sieht mich an. »Aber du glaubst, dass es was anderes ist, oder?«
»Ja«, flüstere ich und zögere, denn für Jazz ist es besser, wenn er keine Details kennt. »Ben hat was wirklich Dummes vor. Und jetzt habe ich Angst, dass er es getan hat.«
»Verstehe.«
»Ich weiß nicht, was ich machen soll.« Aus dem Nieseln wird Regen. Mein Levo vibriert, aber ich halte meine Hände tief in den Taschen vergraben, damit Jazz es nicht hört.
»Amy findet, dass ihr euch nicht mehr sehen solltet. Sie ist der gleichen Meinung wie deine Eltern.«
»Was denkst du denn?«
Er zuckt mit den Schultern. »Ich denke, Ben ist in Ordnung. Machst du
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