Gelöscht (German Edition)
entfernt ist.
Poch-poch.
Meine Füße tragen mich über den Asphalt, diesmal allerdings nicht mit meiner üblichen halsbrecherischen Geschwindigkeit, denn ich brauche Zeit, um mir zu überlegen, was ich sagen will. »Hallo, Ihre Tochter wurde geslated« ist zu direkt.
Sei vorsichtig,
warnt mich eine innere Stimme. Das Letzte, was ich will, ist, dass Phoebes Familie das Krankenhaus stürmt, um sie zurückzufordern. Die Lorder würden wahrscheinlich nicht lange brauchen, um die Verbindung zu mir herzustellen. Und dann gibt es da noch diesen gruseligen Onkel Wayne. Ich bin ihm seit dem Tag, als er mir am Wanderweg aufgelauert hat, nicht mehr begegnet. Ich schaudere. Wenn sein Van vor dem Haus parkt, kehre ich direkt um.
Um ein Haar wäre ich an der Gabelung vorbeigerannt und hätte das verblichene Schild »Old Mill Farm« übersehen. Es zeigt zu einer schmalen Gasse, die aber eher ein überwucherter Pfad als eine Straße ist. Ich biege ab und falle in normales Schritttempo. Die großen Bäume neben dem Weg neigen sich und bilden über mir ein grünes Dach.
Hier kann man sich nirgendwo verstecken.
Unbehagen steigt in mir auf. Ich verlasse den Pfad und laufe weiter durch das dichte Unterholz.
Laut der Karte ist es bis zu ihrem Haus eine halbe Meile, aber weil ich mich durch das Unterholz und die Bäume vorarbeiten muss, kommt mir die Strecke viel länger vor. Zweige zerren an meinem Haar, Dornen verfangen sich in meiner Kleidung, und ich schaue sehnsüchtig zurück zu der Straße, von der ich gekommen bin.
Als ich gerade unentschlossen stehen bleibe und überlege, ob ich weiterlaufen oder umkehren soll, ertönt ein Motorengeräusch aus der Richtung der Farm. Ein Wagen kommt ziemlich schnell herangefahren. Ich drücke mich in den Schatten eines nahe stehenden Baumes, als der weiße Van mit quietschenden Reifen an mir vorbeischießt. Ich erhasche einen Blick auf den Fahrer: Es ist Wayne Best.
Mein Herz klopft wie wild. Das war knapp. Was hätte er getan, wenn ich mitten auf dem Weg gestanden und er mich dabei erwischt hätte, wie ich mich gerade hinter einem Baum verstecke? Ich muss völlig verrückt sein.
Sei bloß vorsichtig.
Nach einer weiteren Kurve kommen ein paar Gebäude in Sicht. Allerdings sehen sie mehr wie ausladende Schuppen und provisorische Anbauten aus, nicht wie Wohnhäuser, und manche von ihnen sind halb verfallen. Ein Zaun mit einem Tor umgibt das Grundstück. Davor befindet sich eine Art Schrottplatz, auf dem lauter verrostete Autoteile, Traktoren, Karosserien und andere Maschinen herumliegen, die ich nicht zuordnen kann. Keines der Autos sieht aus, als wäre es noch fahrtüchtig – vielleicht wohnt hier ja überhaupt niemand mehr? Ich überlege, ob ich besser wieder umkehren soll.
Jetzt bist du schon mal hier.
Ein Haus rechts von den anderen Gebäuden wirkt weniger verfallen. Ein paar wild wuchernde Büsche stehen davor, und es hat eine richtige Tür anstatt eines Stück Holzes, das nur noch quietschend in den Angeln hängt.
Ich zögere, überquere dann die Zufahrt und öffne das Tor. Links führt ein Pfad hinter die Gebäude. Jenseits des Hofs liegt ein Hügel mit Feldern. Unebene, schlammverkrustete Betonplatten bilden einen Weg, der von Maschinenteilen gesäumt ist, bis man endlich zu einer Tür gelangt.
Erst lauschen.
Hinter mir rascheln die Blätter der Bäume im Wind, aber es sind keine Stimmen oder Radio zu hören.
Ich bin schon kurz vor dem Eingang, als ich ein leises Geräusch wahrnehme, eine Bewegung zu meiner Linken. Ich fahre herum.
Zwei Augen blitzen mir entgegen. Zähne, sehr scharfe Zähne. Ein tiefes, grollendes Knurren. Vor mir steht ein großer Hund, wahrscheinlich eine Mischung aus Schäferhund und etwas anderem, und er sieht überhaupt nicht glücklich aus.
Ich zittere und weiche langsam zurück. Soll ich rennen? Ich schätze die Entfernung zwischen mir und dem Tor. Doch dann fällt mir ein, dass der Wachhund mich jagen wird, wenn ich loslaufe. Ich bin schnell, aber nicht
so
schnell. Das Tor ist zu weit weg. Ich bleibe lieber in der Nähe der Tür.
Stellung halten.
Der knurrende Hund macht ein paar Schritte auf mich zu und beginnt plötzlich zu bellen.
Ich zittere vor Angst und muss mich beherrschen, nicht loszustürmen. Mein Magen dreht sich um, und mir kommt die tolle Idee, auf den Hund zu kotzen. Das würde seine Stimmung sicherlich heben. Ich schlucke und laufe langsam rückwärts, wieder in Richtung des Eingangs, einen Schritt nach dem anderen. Vielleicht ist jemand
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