Gelöscht (German Edition)
Freund.«
Ich werde rot. »Nein.«
»… oder vielleicht willst du, dass er dein Freund ist?«
»Nein! Wir sind nur Laufpartner.«
Er schaut mich stirnrunzelnd an und anscheinend versteht er meine gemischten Gefühle besser als ich selbst.
»Sei vorsichtig, Kyla. Nur weil wir Amy erlaubt haben, sich mit Jazz zu treffen, heißt das noch nicht, dass auch du schon für einen Freund bereit bist. Deine Entlassung aus dem Krankenhaus ist noch nicht lange her. Und du weißt, dass du, bis du 21 und frei bist, auf deine Mum und mich hören musst – auf alles, was wir sagen. Das betrifft auch das Thema Freund.«
»Ja.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob es mir gefällt, dass du mit diesem Ben allein laufen gehst.«
Ich gebe ihm keine Antwort. Jeder Protest von mir würde ihn nur in seinen Vermutungen bestätigen. Doch ich muss Ben sehen und mit ihm sprechen, ich vermisse ihn so sehr. Nach allem, was in dieser Woche passiert ist, will ich einfach nur seine Hand halten.
»Allerdings denkt deine Mum offenbar, dass Ben in Ordnung ist, also mische ich mich nicht ein. Zumindest im Moment nicht. Aber sieh zu, dass es bei
nur Freunde
bleibt. Du verstehst schon warum, oder?«
»Hm, nicht so genau.«
»Wir machen uns ernsthaft Sorgen, dass du mit dieser Art von Gefühlen, so bald nach dem Slating, noch nicht zurechtkommst. Dass dein Levo so verrücktspielen könnte, dass du es nicht mehr kontrollieren kannst.«
Diese Warnungen habe ich auch schon im Krankenhaus gehört. Aber es stimmt nicht. Ben hilft mir, meinen Wert zu stabilisieren. Außer …
»Du willst, dass ich unter Kontrolle bleibe.« Ich bin völlig überrascht, dass die Worte so unüberlegt aus meinem Mund kommen.
Er sieht mich amüsiert an.
Es klopft an der Tür: Ben. Ich springe auf, aber Dad hebt die Hand. »Warte noch kurz.« Er geht zur Tür und öffnet sie. Ich höre, wie Dad sich Ben vorstellt und wie sie kurz über die Schule und das Laufen plaudern. Ben ist wie immer offen und höflich. Angenehm. Die Art von Junge, die Erwachsene mögen.
Dad streckt seinen Kopf durch die Tür herein. »Na dann los«, sagt er. »Aber denk an unser Gespräch.«
»Sorry wegen gerade eben«, sage ich, als ich die Tür zugezogen habe.
»Wegen was?«
»Wegen meinem Dad.«
»Was ist mit ihm? Er ist doch ganz nett.«
»Egal.«
Wir laufen die Straße hoch, werden immer schneller und bald habe ich mich an die kalte Luft und die Dunkelheit gewöhnt. Wir rennen im gewohnten Rhythmus unserer Füße die Straße entlang. Seite an Seite, in der gleichen Geschwindigkeit.
Wir werden langsamer, als wir zu der Stelle kommen, wo der Weg von der Straße abzweigt.
»Reden?«, frage ich.
Ben nimmt meine Hand und führt mich in die Schatten der Bäume. Die Nacht ist klar, der fast volle Mond wirft genug Licht, um den Weg erkennen zu können. Während wir zum Tor gehen, denke ich über das nach, was Dad zu mir gesagt hat und was ich auch schon im Krankenhaus gehört habe: Halte dich von Jungs fern. Sie bringen deine Levo-Werte durcheinander. Aber mein Level ist jetzt gerade auf dem höchsten Stand in der ganzen Woche. Die haben ja keine Ahnung!
Ben hebt mich wieder hoch, sodass ich mich auf die Mauer setzen kann. Er stellt sich vor mich und legt seine Arme um meine Hüften.
Er streicht mir die Haare aus dem Gesicht und beugt sich vor. »Über was willst du reden?« Er flüstert mir ins Ohr und sein Atem löst eine Gänsehaut bei mir aus.
Ich sage nichts, denn plötzlich ist mein Kopf leer. Mein Blut pulsiert vom Laufen immer noch schnell durch meine Adern.
Oder von etwas anderem.
»Ich habe mir selbst etwas geschworen«, sagt Ben.
»Was denn?«
»Dass ich das tun werde, wenn wir wieder hierherkommen.« Er legt eine Hand unter mein Kinn – eine sanfte Berührung, bei der alles um mich herum verschwimmt. Panik steigt in mir auf, aber nicht die Art von Panik, vor der man weglaufen möchte. Ich spüre die kalte Mauer unter mir, Bens warmen Arm um meine Hüfte, seine Hand an meinem Kinn. Jeder meiner Sinne ist hellwach. Ben beugt sich vor und berührt meine Lippen ganz sanft. Er küsst mich zärtlich: Ich spüre nur ihn und seine Wärme. Er lehnt sich zurück und lächelt. Aber alles, was ich in diesem Moment will, ist, dass er mich an sich zieht und mich noch einmal küsst. Ganz
ruhig bleiben …
Vielleicht hat Dad doch recht und mein Level wird bei dem Gefühlsdurcheinander instabil?
»Also, worüber wolltest du sprechen?«, fragt Ben.
»Hmmm?«, mache ich und sehe in seine Augen.
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