Gelöscht (German Edition)
Unterricht … interessant?«, fragt er und zwinkert mir zu.
Ich schrecke hoch, antworte nicht und stolpere zur Tür.
Mrs Ali runzelt die Stirn. »Ich will vor deiner nächsten Stunde noch kurz mit dir reden, Kyla. Komm bitte mit.«
Sie zerrt mich in ein leeres Klassenzimmer direkt nebenan.
»Es gab deinetwegen ein paar Beschwerden.« Sie lächelt ihr freundliches Lächeln.
Dann ist sie am gefährlichsten.
»Und nach dem, was ich gerade mitbekommen habe, muss ich sie leider ernst nehmen.«
Was genau kann sie gesehen haben? Panisch lasse ich die letzten Augenblicke im Klassenzimmer Revue passieren: War sie schon an der Tür, als Hatten gesagt hat, ich sei eine biologische Anomalie? Nein, da bin ich mir ziemlich sicher. Sie kam erst am Schluss der Stunde in den Raum. Und sie kann sein Zwinkern nicht bemerkt haben, denn Mr Hatten hatte ihr den Rücken zugewandt.
»Was genau meinen Sie?«
Sie runzelt wieder die Stirn. »Dieser reizende neue Lehrer hat dich gefragt, ob die Stunde interessant war, und du hast ihm nicht einmal geantwortet.«
Dieser reizende neue Lehrer:
Aha! Da steckt mehr dahinter und das ist alles andere als reizend. Aber ich habe den Eindruck, dass Mrs Ali davon nicht den leisesten Schimmer hat.
»Und einige deiner anderen Lehrer sagen, dass du im Unterricht abwesend und unaufmerksam bist und nicht bereit zu lernen.«
»Das tut mir leid. Ich werde versuchen, mich zu bessern.«
»Versuch es nicht nur. Tu es. Das ist eine Warnung, Kyla. Wir sprechen darüber nicht zum ersten Mal. Vergiss nicht, dass du unter Aufsicht stehst, bis du 21 bist. Du hast in deinem Vertrag unterschrieben, dass du dein Bestes gibst, um dich in die Gesellschaft zu integrieren und gut in der Schule zu sein. Du bist über 16, und wenn du jetzt versagst, gibt es andere Behandlungsmethoden.« Sie lächelt mich warm an. »Und jetzt lauf schnell zu deiner nächsten Stunde. Ich wünsche dir einen schönen Tag.«
Sie verschwindet durch die Tür in den Flur. Wo ist Ben? Ich brauche ihn dringend. Alles stürzt in mir zusammen: Ich bin verwirrt wegen Hatten – ich grüble darüber, wer er ist und was er gesagt hat. Und dann noch der Schock und die Angst vor Mrs Alis direkten Drohungen. Augenblicklich fällt mein Wert.
Als ich in den Flur trete, kommt Hatten gerade aus dem Bio-Raum. Er zieht eine Grimasse hinter Mrs Alis Rücken und verdreht die Augen. »Was für eine Zicke«, flüstert er, zwinkert noch mal und grinst. So sieht er jünger aus, viel natürlicher – als ob das Lehrergesicht von vorhin nur eine Maske gewesen ist –, und ich kann nicht anders, als zurückzulächeln. Er kommt näher und hält einen Finger an seine Lippen. »Pst, das ist unser Geheimnis.« Dann läuft er in die andere Richtung.
Ich könnte schwören, dass er jedes Wort von Mrs Ali mitbekommen hat. Wie ist das möglich? Und was meint er mit ›unser Geheimnis ‹?
Das wird sich zeigen.
Ben steht draußen und wartet auf mich. »Ich hab gesehen, wie Mrs Ali dich beiseitegenommen hat. Alles in Ordnung?«
»Es könnte mir besser gehen«, antworte ich und bin überrascht, als ich auf mein Levo schaue. Der Wert ist wieder auf 5,1 geklettert – haben die Grimassen von Hatten das bewirkt? Oder lag es daran, dass er so nah bei mir stand? Mein Herz schlägt immer noch schnell.
»Willst du morgen mit mir laufen gehen?«, fragt Ben mit besorgtem Gesicht.
»Gerne. Lass uns dann reden.« Es klingelt zur nächsten Stunde und wir eilen in entgegengesetzte Richtungen davon.
Jetzt heißt es, aufmerksam und lernwillig zu sein. Oder zumindest besser darin zu werden, den Lehrern etwas vorzuspielen.
Ich ziehe den Vorhang an der Haustür beiseite und werfe einen Blick auf die Straße: nichts. Beeil dich, Ben!
»Kyla?«, ruft Dad aus dem Vorderzimmer und ich gehe zu ihm. »Komm, unterhalt dich kurz mit mir, während du wartest.«
Ich zögere, weil ich bereits meine Laufschuhe anhabe.
»Keine Sorge, ich werde es ihr nicht verraten.«
Mum ist zwar gerade nicht zu Hause, aber ich bin mir sicher, dass sie einen siebten Sinn dafür hat, ob jemand mit schmutzigen Schuhen über den Teppich gelaufen ist. Ich streife meine sorgfältig auf der Fußmatte ab und bleibe dann unsicher in der Tür stehen.
»Setz dich«, fordert Dad mich lächelnd auf.
Ich lasse mich auf der Lehne eines Sessels nieder.
»Dein Freund ist nicht besonders pünktlich, oder?«
»Nein«, räume ich ein.
»Also ist er dein Freund?«
»Was?«
»
Dein Freund.
Du weißt schon, dein richtiger
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