Geloescht
Schulbibliothek, die Landwirtschaftsabteilung, die Matheräume, den Sportplatz und die Projekte der 11. Klassen â sie kümmern sich um die Pflanzenzucht im Frühling.
»Mach dir keine Sorgen, wenn du dich anfangs mal verläufst, das passiert jedem. Ich werde dich ein paar Wochen lang auf Schritt und Tritt begleiten und kann dir helfen, falls du den Weg nicht findest.«
Ich weiÃ, dass ich mich nicht verlaufen werde. Die Karte ist fest in meinem Kopf gespeichert, in einem sauberen Raster aus Pfaden und Gebäuden. Aber ich lächle nur.
Mrs Ali bringt mich zum Verwaltungsgebäude am hintersten Ende des Schulgeländes und wir laufen durch andere Gebäude und an vielen Schulklassen vorbei bis zum Hauptbüro. Dort herrscht ein Wirrwarr aus Tischen, Schränken und Computern, klingelnden Telefonen und einem halben Dutzend gestresster Angestellter.
»Das ist Kyla Davis. Sie muss hier registriert werden«, verkündet Mrs Ali in den Raum hinein. Augenblicke später erscheint ein groÃer, grimmig dreinschauender Mann mit dicker Brille hinter einer Reihe von Aktenschränken
»Hier entlang«, sagt er und wir folgen ihm durch eine Tür.
Registrierung? Ich sehe Mrs Ali fragend an.
»Du bekommst nur deinen Schulpass ausgestellt«, erklärt sie mir.
Aber dazu gehört offenbar doch ein wenig mehr. Zuerst werden nacheinander alle meine Finger auf einen kleinen Bildschirm zur Speicherung von digitalen Fingerabdrücken gepresst. Dann wird mein Kopf fixiert und ich darf nicht blinzeln â ein helles Licht strahlt endlos lang in mein rechtes Auge für einen Retina-Scan. Meine Augen beginnen zu tränen, und ich sehe alles verschwommen, als die Prozedur vorbei ist. Ein geisterhaftes Nachbild wie kahle Ãste bleibt auf meiner Linse zurück. Zu guter Letzt wird noch ein ganz normales Foto gemacht. Dann drückt der Mann einen Augenblick lang am Bildschirm seines Computers herum, bis ein angeschlossenes Gerät eine Plastikkarte ausspuckt.
»Die musst du immer bei dir tragen«, sagt er, steckt sie in eine Hülle und hängt sie mir um den Hals.
Ich halte die Karte hoch und da bin ich: »Kyla Davis« steht unter dem Foto und hinter meinem Namen ein rotes
S
. Ich schaue mir das Foto genauer an: Ich habe tatsächlich ein kleines Lächeln zustande gebracht, bevor der Blitz ausgelöst wurde.
»Nun bist du offiziell Schülerin von Lord Williamâs«, sagt Mrs Ali, als sei das eine besondere Leistung oder das Ergebnis einer bewussten Entscheidung. »Jetzt müssen wir wieder zur Unit zurück.«
Diesmal gehen wir durch den Hauptausgang des Verwaltungsgebäudes. Entlang der AuÃenseite ist ein langes, von Rosenbüschen gesäumtes Steindenkmal errichtet worden, auf dem »2048« eingemeiÃelt wurde.
Vor sechs Jahren.
»Was ist das?«
»Ein Gedenkstein. Für einige Schüler, die ums Leben gekommen sind.«
Ich trete näher, denn irgendetwas zieht mich dorthin, und Mrs Ali folgt mir. Eine Namensliste ist im Stein verewigt, dahinter steht jeweils das Alter. Es sind so viele â von Robert Armstrong, 15 Jahre, bis Elaine Weisner, 16 Jahre, sind etwa 30 Namen aufgelistet. Alle auf dieser Liste waren etwa in meinem Alter. Angehalten, starr, für immer verstummt.
»Was ist mit ihnen passiert?«
»Sie waren auf einem Klassenausflug ins British Museum in London und es gab einen Angriff der RT. Es hatte nichts mit ihnen zu tun â wegen einer Verkehrsumleitung waren sie zur falschen Zeit am falschen Ort. Der Bus wurde getroffen, kaum jemand hat überlebt.«
Ich starre Mrs Ali an und kann es kaum glauben. »RT?«
»Regierungsterroristen.« Sie verzieht die Lippen, als sie das Wort ausspricht, als hätte sie etwas Saures gegessen.
»Komm, wir gehen weiter«, sagt sie dann, also folge ich ihr zurück zur Unit. Während meine FüÃe automatisch weiterlaufen, kann ich die Bilder nicht aufhalten, die vor meinem inneren Auge erscheinen: ein Bus, der im Londoner Verkehr feststeckt, Explosionen, Flammen, Schreie. Blutige Hände schlagen gegen Fenster, eine letzte Explosion. Dann Stille.
Ein Mahnmal aus Stein, dornige Rosen und all diese Namen.
Mrs Ali platziert mich auf einem Stuhl vor einem Büro. »Warte, bis du aufgerufen wirst«, sagt sie und verschwindet im Flur.
An der Tür steht »Dr. Winston, Schulpsychologin«. Wenig später kommt ein Schüler aus dem
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