Gemischte Gefühle
einen Hubschrauber. Schauen Sie in Rom nach dem Rechten.“ Er schüttelte abwehrend den Kopf, als er sah, daß ich Fragen stellen wollte. „Keine Zeit. Beeilen Sie sich.“
„Aber was ist denn los?“ rief ich.
„Der Teufel.“
Sekundenlang starrte ich den toten Bildschirm an. Doch dann wurde ich ziemlich aktiv. Ich schaffte den Toten in den Requisitenkeller. „Da sieht man mal wieder“, keuchte ich, „daß jede große Organisation eine Leiche im Keller hat.“
Man kann nicht sagen, daß es um meine Nerven zum besten stand, als ich mich auf den Weg nach Rom machte.
Im Jahre des Herrn neunzehnhundertsechsundneunzig – zum ersten.
„Als Sie auf den flüchtenden Ahmed Gültaz schossen, wußten Sie da, daß er in dem Kaufhaus nur ein Paar Jeans gestohlen hatte?“
„Ja, aber jeder Ganove fängt mal klein an.“
„Sie wollten ihn also an Ort und Stelle bestrafen. Oder haben Sie sich bedroht gefühlt?“
„Ja, er machte da so eine komische Bewegung. Und diese arbeitslosen Türkenbengel tragen ja alle ein Messer mit sich rum.“
„Und da haben Sie sofort geschossen. In subjektiver Notwehr.“
„Subjektiver Notwehr. Genau.“
„Die Tötung des Gültaz haben Sie dabei billigend in Kauf genommen?“
„Das ließ sich nach Lage der Dinge wohl kaum vermeiden, oder?“
Der Untergang des spätrömischen Reiches
Rom brannte.
Aus dem Capitol schlugen dicke Rauchwolken, das Kolosseum war ein einziges Flammenmeer. Ganze Straßenzüge loderten. Nero hätte seine Freude gehabt.
Ich landete den Hubschrauber in einem Innenhof in der Nähe unserer Zentrale und hetzte los. Als ich an meinem Ziel ankam, sah ich, daß es keine Zentrale mehr gab, nur noch einen schwärzlichen, ausgebrannten Krater. An einem Balken hing die Leiche von Angelo Serafino, einem unserer nettesten Lokalkolorit-Spezialisten. Um seinen Hals hing ein Schild, auf dem stand: TOD DEN KONSUMFUNKTIONÄREN!
Die Wände waren mit Parolen besprüht. Schluß mit der Psycho-Vergewaltigung. Terror dem Urlaubs-Terror. Freiheit durch Anarchie.
Verdammt, verdammt. Es war eindeutig eine gesteuerte Provokation linker Terrorgruppen. Sie hatten uns unterwandert, mit Sonnenbrille und Reiseführer und Gewalt im Herzen. Und sie hatten ganze Arbeit geleistet. Es war wirklich der Teufel los.
Eine marodierende Urlaubertruppe zog vorbei. Sie waren betrunken, und ihre rheinischen Kegelclub-Frohsinnslieder standen in groteskem Gegensatz zu ihrer altrömischen Legionärs-Aufmachung. Sie hatten sogar schon Beute gemacht, eine nackte, sich sträubende Frau, die sie mit vielen gutgelaunten Obszönitäten vor sich herprügelten. Endlich mal wieder ein richtiger, handfester Männerspaß.
Einer von ihnen rannte mit einer Fackel kreuz und quer über die Straße und steckte alle Häuser in Brand.
„Arrivederci Roma!“ schrie er dabei begeistert.
Ein völlig ausgeflippt wirkender alter Knabe auf einem Schimmel sprengte rücksichtslos durch sie hindurch.
„Platz für Caligula!“ kreischte er.
Das nenn ich Bildung. Wahrscheinlich gehörte er zu denen, die ihre Schweinereien in Lateinisch an die Klowand kritzelten und statt ins Bordell ins Lupanare gingen.
„Platz für Caaaaah …!“
Er flog auf die Straße, als sich sein Pferd auf der Hinterhand aufbäumte. Es scheute vor einem ohrenbetäubenden Sirenengeheul zurück.
Sekunden später fegte ein Feuerlöschzug mit aufgeblendeten Scheinwerfern und Blaulicht durch die brennende, säulenverzierte Prachtstraße. Keine Ahnung, wo sie hinwollten. Vielleicht wollten sie das Kolosseum löschen. Vielleicht türmten sie auch einfach.
Als hätte der Löschzug das Signal gegeben, brach gleich darauf ein kreischendes Pandämonium über uns herein.
Eine Gruppe grölender englischer Römer kam einer Gruppe grölender französischer Römer in die Quere. Im Nu war eine Schlägerei im Gange, die jedem Pokalfinale zur Ehre gereicht hätte.
„Bloody Tourists.“ – „Cretin anglais.“ – „Fucking French bastard.“ – „Arghh.“
Als sie anfingen, mit den Schwertern aufeinander loszugehen, trampelte eine Elefantenherde heran und löste das Scharmützel auf. Alle spritzten auseinander und suchten Zuflucht vor den grauen Kolossen. Es waren Hannibals Elefanten, ein Stilbruch, der zu den größten Attraktionen in Rom zählte.
Aber auch sie waren in wenigen Sekunden wie ein Spuk verschwunden. Ab und zu hörte man noch aus den Seitenstraßen in der Nachbarschaft ihr zorniges Trompeten.
Es gab nichts dran zu
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