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Gemischte Gefühle

Gemischte Gefühle

Titel: Gemischte Gefühle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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Spaß dran. Mehr Spaß als sonstwo. Das ist jetzt aus. Die Schlange ist ins Paradies gekommen. Die Unschuld ist weg. Scheiße.“
    Er riß sich zusammen und griff nach einigen Schaltern.
    „Ich geb’s Ihnen auf den Bildschirm. Das sind die aktuellen Monitorbilder.“
    Ein geschäftiger Hafen mit überfüllten Straßen.
    „Chinatown. Haben sie irgendwie nicht erreicht. Alles in Ordnung.“
    Eine Märchenstadt mit schlanken Marmortürmen und vergoldeten Kuppeln. Gespenstische Ruhe. Überall auf den Straßen lagen Menschen in den merkwürdigsten Verrenkungen.
    „Bagdad. Auch eine Psychodroge, aber eine, die passiv macht. Alle sind total stoned. Hätte schlimmer kommen können.“
    „In Twickenham ging es auch ziemlich glimpflich ab. Sind wohl zu ruhige, introvertierte Leute dort. Aber hier, auf der Straße von Twickeham nach Rom hat’s Ärger gegeben.“
    Ein Landrover und ein römischer Streitwagen waren ineinander gekracht. Wüstes Geschrei lag in der Luft. Gladiatoren und rotbefrackte Gentlemen bekriegten sich zu Pferde mit Schwertern, Poloschlägern und allerlei Hieb- und Stichinstrumenten. Aber es sah alles nicht so ernstgemeint aus.
    „Zum Liberty Club haben wir keine Bildverbindung. Dort hat es eine gewaltige Orgie gegeben, aber so gut wie keine Gewalttätigkeiten. Scheint was dran zu sein an der Theorie, daß Leute, die ihre Sexualität stärker ausleben, weniger Aggressionen in sich anstauen. Auf jeden Fall Love and Peace dort.“
    Dann, wie ein Tiefschlag, verkohlte Felder mit verkohlten Leichen. Leblose Körper, die an Bäumen baumelten. Ausgebrannte Herrenhäuser. „Alphaville.“ Roussels Stimme zitterte. „Da sind die Herrenmenschen und die ‚Sklaven’ aneinandergeraten. Sie haben alle Scheußlichkeiten aus den Geschichtsbüchern wiederholt. Lynchen, Teeren und Federn Femegerichte, Massenmorde. Unsere Kulisse hat die entsprechende Mentalität erzeugt.“
    Langsam begriff ich, warum Roussel alles hinschmeißen wollte. In mir kroch derselbe Wunsch hoch.
    „Ibiza können wir auslassen. Da haben sie nur sämtliche Geschäfte und Bars geplündert. Und eine ziemlich große Gruppe hat die Grenzposten überwältigt und sich dann nach Tahiti abgesetzt. Das war das Schlimmste, denn die Bonzen in Tahiti haben ihr Gebiet, verteidigt’. So ein sinnloses und brutales Gemetzel können Sie sich gar nicht vorstellen, Rossi.“
    „Aber warum denn, um Himmels willen?“
    „Was weiß ich. Vielleicht haben sie ihren Neid auf die Jugend abreagiert. Vielleicht haben sie immer auf die Gelegenheit gewartet, einen Einbrecher auf ihrem Villengrundstück abzuschießen. Notwehr, verstehen Sie? Vielleicht wollten die Bürohocker und leitenden Herren nur mal wissen, wie es ist, wenn man ein Messer in einen reinsteckt? Vielleicht braucht man einen Killerinstinkt, um in der sozialen Hierarchie so weit nach oben zu kommen? Vielleicht war es auch nur eine chice Abwechslung für diese abgefuckten, blasierten Wichser, die schon alles haben und alles gesehen haben?“
    Roussel war wirklich fertig. Und er war gefährlich. Aus dem Saulus war ein Paulus geworden. Die Company würde nicht mehr viel Freude an ihm haben.
    „Kann ich Ihnen irgendwie helfen, Roussel?“ fragte ich.
    Ein Hauch seines alten Grinsens erschien auf seinem Gesicht. „Sympathie auf den zweiten Blick, eh? Kommen Sie nach Tahiti. Da gibt’s am meisten zu tun, und Sie können gleich Ihren neuen Chef kennenlernen.“
    „Meinen was?“
    „Ich hab’ jemand angefordert. Die Zentrale schickt einen Sonderbeauftragten. Irgendeinen Vizepräsidenten zbV. Urs von Nicolay. Ein Mensch mit dem Gemüt eines Fleischwolfs – aber eines mikroprozessorgesteuerten. Er landet in einer Stunde. Seien Sie da, ja? War nett, mit einem Normalen sprechen zu können. Adieu.“
    Der Bildschirm erlosch.
     
Im Jahre des Herrn neunzehnhundertsechsundneunzig – zum zweiten
     
    Trotz der Hitze auf dem Dach des Gefängnistrakts P (P für politisch) war das Auditorium voller Aufmerksamkeit. Im Halbkreis umstanden sie die Versuchsanordnung: eine gefesselte, nackte Frau, einige Geräte und Kabel.
    Gedankenverloren drückte Dr. Schreiber-Martinez seine Zigarette auf dem Körper der Frau aus. „Meine Herren“, sagte er, „Sie sind heute Zeugen eines großen wissenschaftlichen Fortschritts: Sie erleben die erste mit Sonnenenergie betriebene Elektroschock-Apparatur der Welt. Eine naheliegende und nützliche Entwicklung für ein tropisches Land wie das unsere. Ich darf sie Ihnen jetzt

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