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Gemischte Gefühle

Gemischte Gefühle

Titel: Gemischte Gefühle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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aus?“
    „Schlecht.“
    Er zerraufte sich sein wirres Blondhaar noch mehr. „Kommen Sie mir jetzt bloß nicht blöd, Rossi. Also, was ist los, aber ’n bißchen präziser, wenn’s geht.“
    Ich erklärte es ihm. „Jetzt ist es wieder ziemlich ruhig“, schloß ich kühn. Mit einem Ohr horchte ich nach draußen. Es war ruhig. „Sie haben eine Menge Tranquilizergranaten verschossen.“ Ich salutierte zackig. „Melde gehorsamst: Rom planmäßig pazifisiert. Vom Einsatz taktischer Atomwaffen wurde zunächst Abstand genommen.“
    „Witzig, witzig. Was soll’n die müden Scherze?“
    „Weil unsere Jungs um sich geballert haben wie ’ne wildgewordene Söldnertruppe. Mich hätten sie auch fast erwischt.“
    „Tja, wer ne Schießbudenfigur hat, sollte nicht unter Leute gehen.“
    „Schönen Dank für die Anteilnahme, Roussel. Ist das eigentlich ’ne Bildstörung, oder sehen Sie wirklich so ausgekotzt aus?“
    Er rang sich die Economy-Ausgabe eines Lächelns ab.
    Ich leistete mir einen ähnlichen Luxus. Wenigstens hatten wir jetzt unsere Spannung ein wenig abgebaut.
    „Okay, kommen wir zur Sache“, sagte ich.
    „Es sieht beschissen aus, Rossi. Überall ist die Hölle los. Die haben irgendwelche aggressionsfördernden Psychopharmaka in unseren Verteiler geschmuggelt. Die meisten sind darauf angesprungen, als hätten sie nur daraufgewartet. Manchmal glaube ich, das wäre alles auch ohne Sabotage übergekocht.“
    „Aber was versprechen sich diese linken Systemveränderer von so einem Wahnsinnsattentat?“
    „Linke Systemveränderer?“ Roussel schnaubte. „Das sind keine Feinde des Systems. Das ist das System selbst. Das ist unsere liebe kapitalistische Konkurrenz, die etwas unorthodoxe Wege zur Gewinnmaximierung einschlägt. Nicht gerade lehrbuchmäßig, aber sehr wirksam.“
    „Sie meinen …“
    „Na klar! Sie kennen doch unseren netten Konkurrenten aus Kalifornien – Free & easy Travels. Die haben vor der venezolanischen Küste ein ähnliches Projekt gestartet wie wir. Eldorado Island. Aber das läuft nicht. Freie Kapazitäten, Break-even-Point noch in weiter Ferne usw. Wir sind zu gut für sie. Aber wenn’s bei uns mal schiefgehen würde, kommen die Urlauber natürlich zu ihnen, weil sie die einzige, wenn auch zweitrangige, Alternative zu uns sind. Tja, und das probieren sie gerade aus …“
    Das mußte ich erst mal verdauen. Ich wollte es nicht glauben, aber im Grunde wußte ich, daß er recht hatte.
    „Wahnsinn“, sagte ich. „Wahnsinn, Wahnsinn. Sind Sie sicher?“
    „Na, vor Gericht würde ich’s natürlich nicht beeiden. Aber ich weiß, daß es so ist. Die haben unseren Psychopharmaka-Verteiler gefunden, haben unsere Nachrichtenverbindungen lahmgelegt und unsere wichtigsten Datenspeicher in die Luft gejagt. Das waren Profis. Die müssen sich in einer solchen Anlage auskennen. Mit ihren linken Parolen lenken die mich nicht ab. Die wollen nur einen Sündenbock aufbauen. Aber in Wirklichkeit war es Free & easy. Das steht für mich fest.“
    Sein jungenhaftes Dressman-Gesicht war grau und müde. Er fuhr sich mit einem Ärmel seines T-Shirts über seine schweißverklebten Wangen. Seine Bartstoppeln machten ein kratzendes Geräusch.
    „Aber beweisen können wir’s ihnen natürlich nicht.“
    Wir schwiegen beide.
    „Guerillakriegführung als absatzförderndes Instrument“, sagte ich schließlich gallig. „Die Fortsetzung des Marketing mit anderen Mitteln. Weit haben wir’s gebracht.“
    „Ja. Auf 53 Tote. Ohne Rom. Bis jetzt.“
    „Von der Schlappe erholen wir uns nie wieder.“
    „Wohl kaum. Ist mir auch egal. Ich hab die Nase voll. Ich schmeiß den Krempel hin.“
    Ich sah ihn verblüfft an. Sowas aus dem Munde dieses Super-Managers zu hören, damit hatte ich nicht gerechnet.
    „Es lohnt sich nicht“, murmelte er. „Man wird da in Dinge verstrickt, die einem irgendwie aus der Hand geraten. Die Dinge werden unkontrollierbar und gefährlich.“
    Es war die Bankrotterklärung seines Weltbildes. Er hatte immer in dem Glauben gelebt, daß alles mach- und planbar war. Nun hatte er die Segel gestrichen. Und er war dabei absolut konsequent, wie immer. Ich fühlte zum erstenmal Sympathie für ihn – sogar Respekt.
    „Was ist denn passiert?“ fragte ich.
    „Alles, was sich Menschen nur antun können. Dies war ein Paradies. Nun ist es ein Trümmerhaufen. Okay, es war ein gemanagtes Paradies. Mit zuviel Manipulation, das seh’ ich jetzt. Aber es war in Ordnung. Die Leute hatten ihren

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