Gemischte Gefühle
hier und offensichtlich ein Einzelgänger.
„In einen anderen Urlaubssektor zu pirschen, ist kein lustiger Streich“, eröffnete ich ihm. „Das ist Diebstahl.“
Er riß die Augen auf. „Diebstahl?“ echote er.
„Ja. Erschleichen von Urlaubsleistungen, für die man nicht bezahlt hat. Das geht natürlich nicht. Wir müssen ja auf unsere Kosten kommen. Sie können nicht einfach den billigsten Erlebnissektor buchen, also Ibiza, und sich dann in Tahiti vergnügen, das uns dreimal so hohe Kosten verursacht. Da hat die Freizügigkeit wirklich ihre Grenzen.“
Er wurde noch blasser. „Und was geschieht jetzt?“
„Nichts. Sie werden nach Ibiza zurückgebracht und verbringen dort den Urlaub, den Sie gebucht haben. Für zukünftige Urlaube auf Holiday World werden Sie jedoch nicht mehr akzeptiert. Guten Tag.“
Ein Happy Helper führte ihn ab.
Bevor ich zur nächsten Sache übergehen konnte, wurde ich von einem gewaltigen Geschepper aufgeschreckt. Ich spähte über die Brüstung der Terrasse. Unten hatte irgendein Kretin das Schaufenster eines Juweliers zertrümmert und stand nun kichernd davor.
Ich hatte das noch nicht ganz verdaut, da gab es ein großes Geschrei, als in der Nähe ein aufgekratzter Alleinunterhalter in voller Montur vom 3-Meter-Brett in einen Swimming-pool sprang, obwohl er offensichtlich nicht schwimmen konnte.
Das gefiel mir gar nicht. Ich machte mir eine Notiz. Es war nicht gut, daß so früh am Tag schon so viele Besoffene herumliefen.
Dann stürmte Charlotte Moosmann herein, eine alleinstehende, leicht überkandidelte Person, die zu jeder Sprechstunde kam. Ich wappnete mich mit Geduld. Sie war nicht nur eine Single, sondern auch ein Oldie. Und, wie gesagt, etwas überspannt. Dauernd benahm sie sich wie Romy Schneider in einem dieser französischen Filme, die vor lauter Tiefgang dauernd auf Grund laufen. Man kennt das ja: In periodischen Abständen chic umdüstert, ständig zwischen Lachen und Weinen, tapfer ertragene Schicksalsschläge im Hintergrund grummelnd. Natürlich war alles nur Tünche. Im Grunde war sie eine dumme, kleinbürgerliche Langweilerin, die die Blähungen ihres Gefühlslebens für Ausdruck einer tiefen Persönlichkeit hielt.
„Herr Baron, ich bin bestohlen worden!“ Sehr zu belasten schien sie das aber nicht, denn sie lachte mit glänzenden Kulleraugen.
Ich überprüfte die Daten. Es stellte sich heraus, daß sie tatsächlich recht hatte. Eine Verkäuferin in einer Boutique hatte einen überhöhten Betrag in den Kassencomputer getippt und ihren Eigenverbrauch entsprechend niedriger angegeben. Gar nicht dumm. Ich sorgte dafür, daß die Verkäuferin gefeuert wurde und Moosy den Betrag gutgeschrieben bekam.
„Hach, wie Sie das wieder gemacht haben“, gurrte sie und verdrehte die Augen, daß ich fast seekrank wurde. „Wirklich eindrucksvoll!“
„Das ist mein Job, Madame“, sagte ich höflich und komplimentierte sie hinaus. Ich fluchte innerlich. Sie war offensichtlich ebenfalls betrunken gewesen. Was ging hier vor?
Ich stellte einige Nachforschungen an und erfuhr, daß sie heute weder einen Drink gekauft noch spendiert bekommen hatte. Eigentlich hätte sie stocknüchtern sein müssen.
Irgendwas stimmte hier nicht. Ich beschloß, zu Roussel nach Alphaville rüberzufahren. Roussel war der Boss hier auf der Insel. Vielleicht wußte er, was da vorging.
Ich schwang mich auf ein schnelles Motorrad und rauschte los. Kurz vor der Grenzstation entging ich ums Haar einem Unfall, als mir ein mittelalterliches Ehepaar direkt vor die Räder schwankte.
Der Mann sah ziemlich verknittert aus und steckte in einer etwas zu jugendlichen Freizeitkluft. Seine Frau, die feurig-verlebte Blicke um sich schmiß, hatte sich in pinkfarbene Shorts gezwängt und trug ein T-Shirt mit der Aufschrift HAVE AN AFFAIR WITH US. Ich verzichtete darauf.
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