Gemischte Gefühle
Reiseziel, sagen wir in Australien; dort steigt man aus einer ebensolchen Zelle wieder an die Oberfläche. Abgesehen von winzigen Wahrnehmungssprüngen erfolgt die Umnabelung nahtlos und lichtschnell.
Ein Problem ist allerdings nicht von der Hand zu weisen.
Die Kontaktpflege mit der eigenen unterbewußten Existenz!
Geriete sie außer Sicht, so würde das zwangsläufig eine neue Welle von Identitätskrisen auslösen. Wobei ich realistisch unterstelle, daß eine totale Abschottung des Bewußtseins unmöglich ist. Die Wahrnehmungen vermittels Televivor werden immer getönt sein vom augenblicklichen Grundbefinden der leiblichen Existenz …
So kann es zwischen zwei Flügelschlägen über einem Atoll zum unerklärlichen Orgasmus kommen …
Eine bizarre Vorstellung.
Es gibt noch andere.
Weit absurdere.
Solche Koinzidenzen werden uns zur Natur.
Wie Gliederschmerzen, schlechte Laune oder Schluckauf.
Oder gute Laune.
Oder Depressionen.
Man wird sich um die unterbewußte leibliche Existenz kümmern müssen, man wird sie nicht vernachlässigen dürfen, weil sie ein Teil der Identität ist – ob man will oder nicht.
Wir alle wissen, was vom Selbsterhaltungstrieb in seelischen Krisen zu halten ist. Die Suizidrate ist sowieso schon hoch genug. Nicht auszudenken, was in einem Menschen vorginge, der plötzlich und unerwartet mit der Wahrheit konfrontiert würde …
Was wir brauchten, wäre ein Triebapparat, und zwar einen verläßlichen. Irgend etwas müßte uns treiben, immer wieder die Begegnung mit der unterbewußten Existenz zu suchen, mehr oder weniger regelmäßig, möglichst ritualisiert. Und wir müssen das nicht erst erfinden. Wir verfügen schon immer über den Apparat. Vielmehr er über uns.
Ich denke an eine Art Metasexualität.
Belebung der voyeuristischen Komponente.
Der Televivor als Spiegel.
So einfach ist das.
Und wenn sich dann doch hin und wieder der eine oder andere aus diesem oder jenem Grund vom Gipfel stürzt – vermittels Televivor –, dann wird er eben um eine Erfahrung reicher sein …
Er mag mit dem neuen Gerät glücklicher leben.
Oder gründlicher verfahren.
Mit Totalschäden muß man rechnen.
Sowieso.
So oder so.
Man muß sie eben einkalkulieren.
In der Miete, meine ich.
Von vornherein.
Einer für alle.
Alle für einen.
So einfach ist das
Joachim Körber Flammenmeer
Wahrscheinlich habe ich nicht mehr lange zu leben, meine Lunge schmerzt in diesem heißen, feuchten Klima, und mit jedem Tag wird es wärmer. Nachts, wenn die unbarmherzige Sonne der wohltuenden samtenen Dunkelheit weicht, kann ich die Feuergrenze erkennen, die sich unaufhaltsam in meine Richtung schiebt. Und doch ist es jedes Mal ein gewaltiger Anblick, über die gezackten Ränder der Hochebene hinabzublicken auf die Welt und den tosenden Feuersturm unter mir.
Am Tage verrichte ich meine Arbeit wie bisher, messe Luftdruck, Luftfeuchtigkeit und Temperatur und melde die Ergebnisse an die zentrale Sammelstelle. Ich weiß nicht, ob noch jemand meine Durchsagen empfängt; Antwort erhalte ich seit Monaten keine mehr, und doch erledige ich pflichtgetreu die mir auferlegten Aufgaben. Die Zeit vergeht schneller, wenn man etwas zu tun hat.
Früher, als meine Gesundheit noch besser war, habe ich oft lange Exkursionen in die unberührte Wildnis dieses nun verlassenen Kontinents unternommen. Damals konnte Janet noch meine Arbeit erledigen. Doch auch das ist vorbei. Der Dschungel hat sie geholt, aber vielleicht ist sie auch dem Zauber des Feuers erlegen. Wer vermag das zu sagen? Vielleicht ist ihre Seele schon auf feurigen Garben emporgeschwebt in die ewige Nacht des grenzenlosen Weltalls, vielleicht erwartet sie mich schon dort oben in irgendeinem Äquivalent des Paradieses, wenn die Menschen das Tor dazu noch nicht selbst verschlossen haben.
Niemand, der es nicht selbst gesehen hat, kann sich eine Vorstellung von der bizarren, satanischen Schönheit des Dschungels machen. Gewaltige Baumriesen mit knorrigen, verschlungenen Wurzeln ragen ins grenzenlose Blau des Himmels, ein ständiges Raunen und Murmeln begleitet den Wanderer, der sich in die feuchten Niederungen hinabwagt; gut erinnere ich mich noch an die Zeiten, als es Tiere gab. Vögel mit buntem Gefieder saßen in den Ästen der Bäume, um – wurden sie eines Eindringlings gewahr – mit ärgerlichem Gezwitscher davonzufliegen; allerlei Reptilien tummelten sich in moderigen Tümpeln und abgestandenen, sumpfigen Seen, die inzwischen alle vom Feuer
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