Gemischte Gefühle
als er wieder erwachte.
Diesmal schlug er die Augen auf.
Die Schwester war kurz hinausgegangen.
Drei Minuten und dreiunddreißig Sekunden war er unbeaufsichtigt.
Ralf schlug die Decke zur Seite, und schrie auf.
Er starrte den verbundenen Stumpf an, das, was von seinem rechten Bein übriggeblieben war.
UND WIEDER SCHRIE ER.
„Eine Million und zweihundertfünfzigtausend Dollar für ein Bein!“
Sie waren alle gekommen, das ganze Team. Alle seltsam verlegen. Das amputierte Bein wurde nicht erwähnt. Ralf verjagte sie alle, mit Ausnahme von Peter Sullivan und Helga.
„Ich wollte aufhören. Nun muß ich aufhören.“
Helgas Augen waren feucht. Peters Gesicht eine Maske.
„So sagt doch endlich etwas. Ich wußte, worauf ich mich einließ. Mir war das Risiko klar. Ich habe nur ein Bein verloren – andere das Leben.“
Helga und Peter schwiegen.
„Verdammt noch mal, Peter, du brauchst dir keine Vorwürfe zu machen. Du und ich, wir haben richtig gehandelt. Mein Bein war sowieso schon beim Teufel.“
Peter zuckte die Schultern. „Was wird aus deinen Plänen, Ralf?“
„Vermutlich wird es lange dauern, bis ich mich an die Prothese gewöhne, aber ich werde es schaffen. Ich bleibe bei meinen Plänen. Ich werde mir eine Farm kaufen und Pferde züchten.“ Er sah Helga an. „Ich weiß nicht, ob du mich auch nur mit einem Bein willst, Helga.“
„Ich will“, sagte sie lächelnd.
„Dann ist es gut“, flüsterte er. „Laßt mich bitte allein, ich bin müde.“
Hendrik P. Linckens Cruise-Missile-Effekt (pat. pend.)
Ich bin sicher, man wird ihn über kurz oder lang entdecken oder genauer – erfinden. Zugegeben, der Name klingt martialisch. Das Cruise-Missile, ein perfektes Vernichtungsgerät, findet, nachdem es einmal die Verfolgung aufgenommen hat, unweigerlich ins fliehende Ziel … Die Pünktchen sind in diesem Zusammenhang völlig uninteressant. Es geht um die Fähigkeit, ein sich autonom bewegendes Ziel zu finden. Unfehlbare Zielerreichung, daher der Name.
Übertragen auf die drahtlose lichtschnelle Informationsübermittlung, nenne ich diese Fähigkeit Cruise-Missile-Effekt. Dabei können Sender und Empfänger ihre Position zueinander beliebig verändern. Und damit beliebig viele Sender-Empfänger-Paare einen intimen Informationsfluß unterhalten können, sei ferner unterstellt, die CM-Information könne durch Codierung, Polarisation, Ausweichmanöver oder wie auch immer ungestört und ausschließlich ihren Adressaten erreichen. Um ein Feedback zu ermöglichen, hat man sich natürlich Paare von Sende-Empfangs-Einheiten vorzustellen.
Der gegenläufige Informationsfluß zwischen den Einheiten ist als Kreislauf, präziser als Regelkreis zu denken, mit einem Leistungsvermögen, vergleichbar dem des Rückenmarks …
Phantastisch, was da auf uns zukommt …
Unaufhaltsam …
Absehbar …
Wie ein Cruise-Missile.
Das totale Medium.
Der Televivor! Ich denke da an eine geeignete Katastrophe zur technologisch richtigen Zeit. Nicht daß so etwas wünschenswert wäre – aber denkbar. Die moralische Verantwortung müßte so unausweichlich sein, daß sich alle wissenschaftlichen Bemühungen darauf konzentrierten, den Opfern zu helfen. Nach Ausmaß und Art des verursachten Leidens halte ich einige Hunderttausende irreparable Querschnittslähmungen für erfolgversprechend – die Bevölkerung einer größeren Stadt – bitte, ja, das mag sarkastisch klingen, ist es ja wohl auch. Denn man wird die Leute bald um ihre Fähigkeiten beneiden.
Ich wette, sie werden fliegen können …
Über ein wie auch immer geartetes Sende-Empfangs-Implantat wird ein jeder von ihnen seinen Televivor steuern, ein geflügeltes, zerbrechlich anmutendes Gerät, mannshoch, computerentworfen, aus Mikroprozessoren und Siliziumzellen zusammengefügt, jeder Quadratmillimeter so sensitiv wie menschliche Haut ein graziles Insekt, mit dem sich gehen, fliegen, tauchen, manipulieren, sehen, hören, riechen, tasten und sprechen läßt – über jede Entfernung und drahtlos.
Dank des CM-Effekts!
Und ganz nebenbei ließen sich die Pflegekosten einsparen. Grotesk die Vorstellung, sich vom eigenen Televivor füttern zu lassen … selbst wenn es nur ein einfacher Kabeltelevivor wäre, der ja für diesen Zweck völlig ausreichen würde. Theoretisch könnte es zu diesem Prototyp kommen, etwa nach einer technologisch verfrühten Katastrophe, tatsächlich aber nie. Das Ding hat nämlich keinen Markt – mit Kabel. Moralische Verantwortung
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