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Gemischte Gefühle

Gemischte Gefühle

Titel: Gemischte Gefühle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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Ralf auf.“
    „Nein, das werde ich nicht tun.“
    „Zweiundzwanzig Meter, Mandel. Wecken Sie ihn auf. Er soll selbst entscheiden.“
    „Auf Ihre Verantwortung, Sullivan.“
    „Auf meine Verantwortung!“
    Fünfundzwanzig Sekunden noch.
    Lacombe bewegte sich. David war im Labyrinth verschwunden.
    Ein Druck auf den Mikrophonknopf.
    „Hörst du mich, Ralf?“
    Keine Antwort.
    „Verflucht, hörst du mich, Scheißer?“
    Keine Antwort.
     
    Helga war zusammengesackt. Ihre Augen waren leer. Wie eine Verrückte starrte sie den Bildschirm an.
    Er ist tot, er ist tot. Tot. TOT.
    Die Tür wurde aufgerissen, und Zinnemann stürzte herein. Er sah wie eine wandelnde Leiche aus.
    Das Fernsehen wiederholte gerade in Zeitlupe den Zusammenstoß.
    „Unfaßbar, einfach unfaßbar.“
    Und wieder sah sie es. Aufprall, hochgerissen, Aufprall, hochgerissen, und immer weiter, immer weiter …
    „So kurz vor dem Ziel mußte das geschehen! Ralf wäre sicher Zweiter geworden …“
    „Halten Sie den Mund!“
    Helga sprang auf und sprang Zinnemann wie eine Furie an.
    „Halten Sie Ihren gottverdammten Mund!“
    „Ralf Mayer bewegt sich!“ schrie der Kommentator.
    Helga wirbelte herum.
    Tatsächlich. Ralf hatte sich bewegt.
    „Er lebt. Er ist nicht tot.“
    Sie rannte auf den Fernseher zu und fiel auf die Knie.
    „Er lebt, er lebt. Zinnemann, er lebt!“
     
    Stimmen. Weit entfernt.
    „Hörst du mich, du verdammtes Arschloch?“
    „Ich höre dich.“
    Ralf schlug die Augen auf. Er spürte nichts. Er war nur müde, unendlich müde.
    „Dein rechtes Bein ist kaputt. Du wirst nie mehr Ski fahren können. Lacombe ist aufgewacht. Du hast einen Vorsprung von zwanzig Sekunden vor David. Du liegst zweiundzwanzig Meter vor der Ziellinie. Steh auf, belaste das rechte Bein nicht und fahr auf dem linken durchs Ziel!“
    „Ich kann nicht aufstehen.“
    „Verdammt, Ralf. Denk an die Million. Denk an die zweihundertfünfzigtausend. Du kannst es schaffen. Beweise es dir, beweise uns allen, daß du kein dummer Junge bist. Beweise, daß du ein Mann bist, ein Profi. Beweise es!“
    Ralf drehte den Kopf zur Seite. Deutlich konnte er das Ziel erkennen. Es war ganz nahe.
    Zweiundzwanzig Meter.
    „Du hast noch fünfzehn Sekunden Zeit. Los, steh auf.“
    Mein rechtes Bein ist gebrochen? Ich spüre keine Schmerzen. Mandels Mittel.
    Die Pferde, die er züchten wollte. Die Million. Helga. Ruhm. Er würde ein Krüppel sein.
    „Zehn Sekunden noch.“
    Ralf zog das linke Bein an. Die Entscheidung war gefallen.
    „Laß dir Zeit, Ralf, laß dir Zeit. David ist in einen toten Gang gefahren. Er verliert dadurch mindestens eine Minute. Nur ruhig.“
    Er winkelte das linke Bein an. Dann verlagerte er sein Gewicht auf das gesunde Bein.
    „Verdammt, Ralf, du hast doch nicht viel Zeit. Lacombe hat das Rennen wieder aufgenommen. Er hat beide Arme gebrochen. Du hast noch zehn Sekunden.“
    Zehn Sekunden.
    Ralf rammte den rechten Skistock in die Piste, dann den linken.
    „Mach schon, beeil dich!“ schrie Sullivan.
    Er stemmte sich hoch. Unendlich langsam. Wie in Zeitlupe.
    Nur nicht das rechte Bein belasten. Ruhig bleiben.
    „Sieben Sekunden noch!“
    Ich weiß, ich weiß. Ruhig bleiben.
    Ralf stand jetzt auf dem linken Bein. Das rechte war seltsam verdreht. Er hielt sich an den Stöcken fest, hob das linke Bein und brachte den Ski in die richtige Stellung. Er wies genau auf das Ziel.
    „Gut, prächtig, du bist ein Held.“
    Ich bin kein Held. Eine Million. Der Werbevertrag.
    Langsam fuhr er los.
    Noch fünfzehn Meter.
    „Fünf Sekunden noch.“ Peters Stimme zitterte.
    Fünf Sekunden für fünfzehn Meter.
    Zehn Meter.
    Fünf Meter.
    Noch einmal mit den Stöcken stoßen. Alle Kraft in diesen Stoß legen. Alle Kraft.
    Zwei Meter.
    Das linke Bein will nicht. Das Knie gibt nach.
    Neunzig Zentimeter.
    „Er ist hinter dir, Ralf!“
    Er sieht nichts. Schwärze. Sein Gehirn ist leer.
    Fünfzehn Zentimeter.
    Stimmen, undeutlich, weit fort. Gedanken, verwischt und undeutlich.
    Jeder Zentimeter eine Ewigkeit.
    Wieder wurde Ralf bewußtlos.
    „Du bist Weltmeister, Ralf. Du bist Weltmeister! Hörst du mich?“
    Schweigen. Nur röchelndes Atmen, seltsam flach und erstickt.
    „Ralf, hörst du mich?“
    Vier Tage lang war er bewußtlos. Vier Tage, an denen sie an ihm herumoperierten.
    Als er erwachte, hatten sie ihm ein Bein abgenommen.
    Es roch nach Spital. Er wagte nicht die Augen zu öffnen.
    Nur ein paar Sekunden war er wach, dann schlief er wieder ein.
    Es war Nacht,

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