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Gemischte Gefühle

Gemischte Gefühle

Titel: Gemischte Gefühle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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ökonomische Erleuchtung im Nebel tarifpolitischen Getöses unsichtbar, wurde eine weitere Chance vertan, den Tanz um das Goldene Kalb Lohnzuwachs durch die Feste Burg sozialpartnerschaftlicher Verantwortung zu ersetzen. Im Glanz der festlichen Oster-Messen erschien das unentschlossene Taktieren der zwölf besten ökonomischen Spezialisten der Republik wie eine Wanderung im finsteren Tal stagflationärer Widrigkeiten, während der luziferische Versucher bereits in Gestalt des Kreises Radikaldemokratischer Wirtschaftswissenschaftler an die Himmelstür klopfte. Als wunderliches Ereignis am Rande sei erwähnt, daß sogar diese illustre Versammlung der zwölf Weisen nicht umhin kam, sich mit dem weltlichen Problem der zunehmenden Wohnungsnot in der Republik auseinanderzusetzen. Daß als Allheilmittel die Gebetsmühle empfohlen wurde, erscheint dem Beobachter jedoch nur als Jüngstes Gerücht …
     
    Video-Kommentar des Nachrichtenmannes Friedrich N.
     
2
     
    … und dann kam der Vierzehnte, und es hatte keinen Zweck mehr, das Ganze aufzuschieben, und Robby stieg aus dem Bett, griff nach seinen Klamotten, warf sich ein paar Spritzer Wasser in die verklebten Augen und sah immer wieder nervös auf die Uhr. Ein Blick auf den Zähler am Herd brachte ihn davon ab, sich Kaffee zu kochen, denn schließlich hatte dieser verdammte Monat noch sechzehn weitere verdammte Tage, und das bedeutete, daß er selbst bei eisernem Sparen die letzte Woche entweder im Dunkeln oder bei Angela zubringen mußte, und beide Möglichkeiten waren ihm gleichermaßen unsympathisch.
    Er preßte flüchtig den Zeigefinger auf den Einschaltknopf des Batterieradios. „… keine Sorgen, Zaster borgen. Bei der fetzigen, angetörnten Bank für Ausgeflippte und andere junge Leute. Kommt zu uns. Niedrige Zinsen, freakige Geldverleiher, coole Konditionen. Kommt zur Pulver-Connection. Kommt zur Volkskredit-Bank.“
    „Halt’s Maul“, murmelte Robby automatisch und suchte unter dem ungespülten Geschirr der letzten Tage nach seinem Zigarettennotvorrat, aber alles, was er fand, waren durchweichte Kippen, fein garniert mit eingetrocknetem Tomatenketchup, festgepappten bräunlichen Soßenrückständen und irgendwelchen anderen unappetitlichen Dingen, die ihn unangenehm an seinen Magen erinnerten.
    Aus den unteren Stockwerken drangen Flüche und lautes Geschrei. Etwas polterte. Dann ein Kreischen. Stille.
    Robby schluckte und kratzte sich den Kopf, fuhr dann mit den Fingern durch die ungekämmten Haarsträhnen, bis ein Hauch von Frisur und Ordnung in seinem dicken, schwarzen Haarschopf zu erahnen war. Er hatte noch zwei Stunden Zeit, ehe das Arbeitsamt dichtmachte, und Huspensky – oder wie der Kerl auch immer hieß – würde so oder so mißgelaunt die Papiere abzeichnen müssen, auch wenn sich das alles nur wenige Minuten vor der Mittagspause abspielte; schließlich war Huspensky dafür da , und es war seine verdammte Pflicht, Robby zu helfen, wenn er schon den ganzen Tag auf seinem Arsch hockte und ein Heidengeld dafür kassierte.
    Erfreulicherweise fand er dann doch noch einen halbgefüllten Tabaksbeutel und zu seinem Erstaunen auch einen Krümel Shit – Grüner Türke für zehn Mark achtzig inklusive Canabis-Steuer im Drugstore an der Ecke –, den er wohl irgendwann im Lauf der letzten Wochen achtlos fortgeworfen hatte, weil es ihm zu dieser Zeit sehr gut gegangen war und er nicht auf diese Kleinigkeiten achten mußte. Ein wenig versöhnt mit dem an und für sich gar nicht so vielversprechenden Tag, hockte sich Robby auf den Boden, drehte einen krummen Stick, an dessen beiden Enden der trockene Tabak heraushing und ihm traurig zuzublinzeln schien, aber Robby liebte diese Symbolismen nicht, und er zündete den Stick an und starrte nachdenklich aus dem Fenster.
    Aus dem Radio drangen die drögen Gitarrenklänge und das grelle Synthesizerpfeifen des diestägigen Welthits, Suck my joybringer, Mister President von den Washington Pigs, einer Rhythm’ and Blues-Vereinigung wegen Korruption abgesetzter Kongreßabgeordneter, die so ihr politisches Glaubensbekenntnis in klingende Münze umsetzten.
    Die Aprilsonne war schwach, hing blaß am graublauen Himmel, so daß man mit ungeschützten Augen in sie hineinblicken konnte, aber selbst in ihrem vollen Lichtgesicht war nicht viel zu entdecken, und das sagte Robby genug über Angela und ihre Lumpenfreunde von der Sonnen-Kommune, mehr zumindest, als sie ihm erzählt hatte – in den endlosen Stunden zwischen drei und

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