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Gemischte Gefühle

Gemischte Gefühle

Titel: Gemischte Gefühle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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sechs Uhr morgens, in denen die Zeit manchmal stehenblieb und Angelas kleine benebelte Mauseaugen einen Stich ins Mystische bekamen. Unten auf der Straße herrschte das übliche Chaos hupender, brummender Autos und desorientierter Fußgänger, obwohl Robby im Lauf der letzten drei Jahre schlimmere Wohnungen und Straßen erlebt hatte, und manche besaßen nicht einmal eingebaute Ohrenschützer aus Schaumstoff wie hier, und man konnte oft genug allein vom Lärm der Fahrzeuge und Stimmen besoffen werden. Gegenüber entdeckte Robby, während er abwesend an dem Stick zog, die blonde junge Frau, deren Mülleimer ihm ihre verborgene Liebe für den Neun-Mark-neunzig-Whisky aus der Kauf + Spar -Filiale an der Blockecke verraten hatte. Sie öffnete das Fenster und schnüffelte vorsichtig in den jungen Tag, aber was sie roch, schien nicht ihren Beifall zu finden, denn mit leicht angegrauter Gesichtsfarbe schloß sie hastig wieder die Fensterläden und verschwand im dunklen, Robbys Blicken verborgenen Innern ihrer Wohnung.
    Robby seufzte und wartete noch einige Minuten hoffnungsvoll, aber offenbar schien sie im Augenblick kein Interesse an einer Dusche oder einem Bad zu verspüren, und so mußte Robby für dieses Mal auf den Genuß verzichten, durch das gardinenlose Badezimmerfenster einen Blick auf ihren unbekleideten ansehnlichen Körper zu erhaschen.
    Es klopfte an der Tür.
    Im Radio knarrte es. „Meine Damen und Herren und alles, was dazwischenliegt, die Nachrichten fallen für heute leider aus, da sich unser Sprecher, der selige Kuno Karl Kopke, beim routinemäßigen Durchlesen der Meldungen auf äußerst abscheuliche Weise das Leben nahm. Wir sind noch immer damit beschäftigt, unsere Tonbandmaschine zu säubern und senden bis dahin unser Elf-Uhr-Wunschkonzert live aus dem Atomkraftwerk Elmsbüttel unter dem Motto: das Radio bleibt aktiv.“
    Robbys Gedanken hatten sich dank des Sticks völlig geklärt, und allein der Umstand, daß die Zeit so schnell verging, erregte ein wenig sein Erstaunen, doch alles übrige wirkte ganz und gar so, wie es sein sollte.
    Das Klopfen wiederholte sich.
    „Ja?“ sagte Robby und räusperte sich, als er den krächzenden Klang seiner Stimme vernahm. „Es ist nicht abgeschlossen“, fügte er dann noch hinzu, und erst jetzt drückte jemand die Klinke hinunter und stieß die Tür auf.
    „Was machen Sie denn noch hier?“ schnauzte ihn ein dicker Mann in einem fleckigen Overall vorwurfsvoll an. Unruhig glitten seine kleinen dunklen Augen hin und her, und seine gerötete Gesichtsfarbe und die Zornesfalten auf seiner Stirn deuteten darauf hin, daß wohl er etwas mit dem grellen Lärm zu tun gehabt hatte, der noch vor wenigen Minuten in den unteren Stockwerken rumort hatte. Der dicke Mann in dem Overall stemmte die Arme in die feisten Hüften und schnüffelte. „Und überhaupt – wie sieht das hier aus?“
    Robby blickte sich ein wenig irritiert um und wunderte sich gleichzeitig über seine bemerkenswerte Ruhe, die ihn davon abhielt, diesen unverschämten Eindringling am Kragen zu packen und aus der Wohnung zu werfen. „Wie soll’s schon aussehen? Wie’s heutzutage eben aussieht. Ich bin …“
    „Robert Warschinzki“, nickte der dicke Mann. „Stand an der Tür. Ich hab’s gelesen. Ich kenne Sie alle hier. Und ich frage mich, was zum Teufel geht hier eigentlich vor? Es begann schon im ersten Stock. Bei dieser Alten, dieser Rumberger. ‚Ich mach hier nur meine Arbeit, Frollein’, sagte ich, ‚bin genauso ein armes Schwein wie Sie, also machen Sie’s mir nicht noch schwerer. Außerdem, was kann ich dafür? Ich muß auch mein Geld verdienen. Ich hab’ einfach keine Wahl, verstehen Sie?’ Aber meinen Sie, die Alte verstand? Mit ’nem Besenstiel ging die auf mich los, wenn ich’s doch sage, mit ’nem Besenstiel, und hysterisch wurde sie auch noch, daß ich dachte; Vorsicht, Kalle, die bekommt hier gleich auf der Stelle ihren achten Herzinfarkt und bricht mausetot zusammen.“ Der dicke Mann setzte sich schnaufend auf den einzigen leeren Stuhl in Robbys Wohnschlafzimmerküchenabstellraum und wischte sich den Schweiß von der geröteten Stirn. „Ich also ab und in den zweiten Stock.“
    „Ah“, machte Robby verständnisvoll und versuchte durch die Spinnweben in seinem Kopf Motiv und Sinn dieser seltsamen Unterhaltung zu entschlüsseln. „Hubert Hetschneider und gegenüber die Sonnen-Kommune.“
    Der dicke Mann schnaufte und griff in eine Tasche seines fleckigen, einstmals

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